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Aktuelle Studie: Rund zehn Prozent der Erwerbstätigen arbeiten "suchthaft"

Müde Überarbeitet
(Foto: Malachi Cowie / Pixabay)
25.05.2022
Gesundheitsschutz

Rund ein Zehntel der Erwerbstätigen in Deutschland arbeitet suchthaft, ergibt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie auf Basis repräsentativer Daten von 8000 Erwerbstätigen. Von suchthaftem Arbeiten Betroffene arbeiten nicht nur sehr lang, schnell und parallel an unterschiedlichen Aufgaben, sie können auch nur mit schlechtem Gewissen freinehmen und fühlen sich oft unfähig, am Feierabend abzuschalten und zu entspannen.

Führungskräfte zeigen überdurchschnittlich oft Symptome suchthaften Arbeitens. In mitbestimmten Betrieben kommt suchthaftes Arbeiten seltener vor als in solchen ohne Mitbestimmung, so die Untersuchung von Forschenden des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig, die über gut zwei Jahre mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung dem Thema nachgegangen sind. Betriebsräte helfen, Grenzen zu ziehen und könnten Beschäftigte so vor Selbstausbeutung schützen.

Menschen in Land-, Forst-, Tierwirtschaft und Gartenbau besonders betroffen

Frühmorgens ins Büro und spätabends wieder raus, zu Hause noch einmal die Mails checken, einfach nicht loslassen können: Suchthaftes Arbeiten ist kein Randphänomen, das nur eine kleine Gruppe von Führungskräften betrifft. Tatsächlich sind exzessives und zwanghaftes Arbeiten in allen Erwerbstätigengruppen verbreitet. Am häufigsten neigen Menschen in Land-, Forst-, Tierwirtschaft und Gartenbau zu suchthaftem Arbeiten: hier sind es 19 Prozent der Beschäftigten.

Schlechtes Gewissen als "Entzugserscheinigung" für Workaholics

Wann werden aus engagierten Erwerbstätigen solche, deren Leben von der Arbeit dominiert wird? Dieser Frage haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon vor Jahrzehnten gewidmet. 1971 prägte der Psychologe Wayne Oates den Begriff Workaholic, um zu beschreiben, dass einige Menschen ein Verhältnis zu ihrer Arbeit haben wie Süchtige zum Alkohol. Heute arbeitet die Forschung mit verschiedenen Kriterienkatalogen. International verbreitet ist etwa die Dutch Work Addiction Scale. Suchthafte Arbeit lässt sich demnach anhand von zwei Dimensionen bestimmen. Erstens muss die jeweilige Person exzessiv arbeiten, das heißt: lange arbeiten, schnell arbeiten und verschiedene Aufgaben parallel erledigen. Der zweite Faktor als Voraussetzung für suchthaftes Arbeiten ist die "Getriebenheit" der Erwerbstätigen: hart arbeiten, auch wenn es keinen Spaß macht, nur mit schlechtem Gewissen freinehmen, Unfähigkeit zur Entspannung am Feierabend, also "Entzugserscheinungen" in der erwerbsarbeitsfreien Zeit.

Jüngere Beschäftigte häufiger arbeitssüchtig

Die Auswertung stützt sich auf eine Befragung von rund 8000 Erwerbstätigen in den Jahren 2017 und 2018. Der Untersuchung zufolge arbeiten 9,8 Prozent der Erwerbstätigen suchthaft. Weitere 33 Prozent arbeiten exzessiv – aber nicht zwanghaft. 54,9 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten dagegen "gelassen". Und eine kleine Gruppe arbeitet zwar nicht viel, aber zwanghaft.

Schulabschluss und Familienstatus zeigen keine Zusammenhänge mit der Neigung zu suchthafter Arbeit. Einen kleinen, aber signifikanten Unterschied gibt es zwischen Frauen und Männern, die zu 10,8 beziehungsweise 9 Prozent betroffen sind. Deutlichere Unterschiede bestehen zwischen Altersgruppen: Bei den 15- bis 24-Jährigen beträgt die Quote 12,6 Prozent, bei den 55- bis 64-Jährigen 7,9 Prozent.

Weniger Fälle von Arbeitssucht in Unternehmen mit Betriebsrat

Einen starken Zusammenhang mit suchthafter Arbeit haben schließlich Betriebsgröße und Mitbestimmung. In Großbetrieben ist Arbeitssucht weniger verbreitet als in kleinen Betrieben. Bei weniger als zehn Beschäftigten "fallen 12,3 Prozent in die Kategorie der suchthaft Arbeitenden", bei mehr als 250 Beschäftigten 8,3 Prozent. Dies könnte an einer stärkeren Regulierung liegen. Beschäftigte in Großunternehmen bekommen Schwierigkeiten mit der Personalabteilung, wenn das Arbeitszeitkonto überquillt. Ähnliche Unterschiede treten beim Vergleich von Betrieben mit und ohne Betriebsrat zutage: Mit Mitbestimmung arbeiten 8,7 Prozent der Beschäftigten suchthaft, ohne Betriebsrat 11,9 Prozent. Eine besondere Rolle dürften in diesem Kontext Betriebsvereinbarungen spielen – "ein wichtiges Instrument der betrieblichen Regulierung, welches exzessivem und zwanghaftem Arbeiten entgegenwirken kann", so die Forschenden.

 

Weitere Informationen zu Studie findet Ihr hier.

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