Großes Interesse bei 7. Steinbacher Forum: Was kann gewerkschaftliche Bildung?
©IG BAU
12.11.2018
Steinbacher Forum
Das 7. Steinbacher Forum fand zum Thema "Gewerkschaftliche Bildung" statt. Die Leitfrage des Forums war: Was könnte und sollte gewerkschaftliche Bildung heute sein? Gerade vor dem Hintergrund der Neuauflage einer eigenen Bildungskonzeption in der IG BAU eine spannende Frage.
Auch wenn eine solche Frage nicht abschließend zu beantworten ist, so näherten sich Referenten und Teilnehmer_innen in Vorträgen und Diskussion einer Antwort an, welche Aufgabe gewerkschaftliche Bildung heute hat. Die Ausführungen von Ralf Wilde, Geschäftsführer von der ver.di bildung und beratung GmbH, zeigten, dass alle Gewerkschaften vor ähnlichen Herausforderungen im Bildungsbereich stehen:
  • Qualifizierung von arbeitgeberfinanzierter Bildung (Betriebsräte) und politischer Bildung wird immer noch getrennt gedacht.
  • Es gibt innerhalb der Einzelgewerkschaften vielzählige Bildungsanbieter (Bildungsstätten, Branchen, Regionen und junge BAU), die nebeneinander her laufen und sich zum Teil selbst Konkurrenz machen, aber vor allem unübersichtlich sind.
  • Der Wettbewerb im kommerziellen Bildungsmarkt für gesetzliche Interessenvertretungen wird immer härter. Die Bindung von Betriebsräten an „ihre“ gewerkschaftlichen Bildungsanbieter lässt nach - auch weil das Bewusstsein vieler Gewerkschaftssekretär_innen für Bildung und die Orientierung auf die eigenen Bildungsträger kein Automatismus mehr ist.
  • Es gibt kaum mehr Debatten zur Frage, was Arbeitnehmer_in sein heute heißt. Entsprechend erfolgt auch die Lobbyarbeit für übergeordnete Arbeitnehmer_inneninteressen im politischen Raum oft unsystematisch. Auch innerbetriebliches gewerkschaftliches Bewusstsein fehlt häufig.
  • Viele gewerkschaftliche Bildungsangebote gehen von überholten Konzepten (Infotransfer vom Kopf des Trainers in die Köpfe der Teilnehmer_innen) aus und müssen professionalisiert werden.
Für Ralf Wilde geht es in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit darum, Arbeitnehmer_innenbewusstsein entstehen zu lassen. Das gilt sowohl für Betriebsrätequalifizierungen als auch für die Qualifizierung von Mitgliedern und ehrenamtlichen Funktionären. Früher wurde das im Betrieb aufgefangen, doch innerbetriebliches gewerkschaftliches Leben ist keine Selbstverständlichkeit mehr. In der betrieblichen Präsenz können die Gewerkschaften sich höchstens noch ein „genügend“ geben.

Gewerkschaftliche Bildung sollte nach Wildes Ansicht darauf hinauslaufen, Bewusstsein für die eigene Rolle als Arbeitnehmer_in in der Gesellschaft, aber auch im Betrieb zu schaffen. Dazu gehöre immer die Frage, was gewerkschaftliche und Arbeitnehmer_inneninteressen heute sind. Ausgangspunkt sei immer noch der Interessensgegensatz. Allein Wissen zu den eigenen Rechten und Gestaltungsmöglichkeiten reichten nicht, um Aufgaben z.B. als Betriebsrat oder als Bezirksvorstand wirksam anzupacken. Es sei auch wichtig, die eigene Haltung und eigenen Werte zu hinterfragen, die unser Handeln und unsere Entscheidungen bestimmen. Damit sollte gewerkschaftliche Bildung Ort für Meinungsbildung und politischer Orientierung sein, aber auch ein Ort individueller Stärkung und Persönlichkeitsentwicklung sein.
Präsentation Ralf Wilde: Was kann und soll gewerkschaftliche Bildung in heutiger Zeit?
Interaktives Lernen per Videoquizz mit uBRAIN
©IG BAU

interaktives Lernen per Videoquizz mit uBRAIN © IG BAU

Der zweite Teil des Steinbacher Forums drehte sich um die digitalisierte Bildungsarbeit. Denn die Digitalisierung schafft zahlreiche Möglichkeiten, digitale Technik und Kommunikation in der Bildungsarbeit anzuwenden. Klare Ansage der beiden Referenten Ingo Woelke und Stefan Weidinger: Gewerkschaftliche Bildungsarbeit ist und bleibt ein sozialer Prozess. Das heißt, gemeinsames Lernen, Austausch miteinander und Netzwerken von Angesicht zu Angesicht ist wesentlich. Aus der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit kommend haben sie einen Lernraum im Netz geschaffen, der ihre Seminare begleitet: uBRAIN (www.ubrain.info).
Dort können die verschiedenen Phasen einer Bildungsveranstaltung begleitet werden. Teilnehmer_innen können im Vorhinein schon mit ersten Infos zum Seminar versorgt werden. Während des Seminars können zum Beispiel Videos oder interaktive Beispiele aus der Praxis genutzt werden. Im Nachgang zum Seminar können die Teilnehmer_innen jederzeit noch auf Materialien zugreifen, ihr Wissen in unterhaltsamer Form wiederholen und testen. Und ganz besonders wichtig: Sie können sich untereinander austauschen und dem/der Referent_in Fragen stellen, wenn sie das Gelernte (zum Beispiel Betriebsverfassungsgesetz) in ihrer Arbeit vor Ort anwenden. Ziel ist es immer, Gelerntes zu festigen und in Handlungen umzusetzen.
 
Das nächste Steinbacher Forum findet am 11. Mai 2019 statt.