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Sozialwahl 2017 - Unsere unterschätzte Macht

Von links: Heinrich Echterdiek, Bebra Duric, Andreas Schur, Wolfgang Kreis
07.03.2017
Sozialwahl
Wer einzahlt, soll auch mitbestimmen dürfen. So ist das Prinzip der Sozialwahlen in Deutschland. Das ist einzigartig und keinesfalls selbstverständlich. Viele IG BAU-Mitglieder, die sich in den Gremien engagieren, sehen das auch so. Vier von ihnen kommen hier zu Wort.
Unser Sozialstaat hat viele Stärken. Eine dieser Stärken sind unsere Sozialversicherungen, die einen stabilen Lebensstandard und eine gute Versorgung für jede/n Einzelne/n garantieren. Arbeitnehmer/innen sowie Arbeitgeber/innen sind zu gleichen Teilen unmittelbar an der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen beteiligt. Das gibt es sonst nirgendwo.

Zwar sind auch in anderen europäischen Ländern, wie etwa in den skandinavischen Staaten, gesellschaftliche Gruppen wie die Sozialpartner an Gremien der Sozialversicherungen beteiligt. Das demokratische Prinzip der deutschen Sozialwahlen ist allerdings einzigartig.
Schon kurz nach Gründung der Bundesrepublik war klar: Die Selbstverwaltung muss an die Stelle staatlicher Bevormundung treten. Bereits 1952 trat das erste Selbstverwaltungsgesetz für die Sozialversicherungen in Kraft. 1977 wurde es dann vom vierten Sozialgesetzbuch abgelöst.

Selbstverwaltung bedeutet für die Versicherten: Sie können sich beteiligen und mitbestimmen. Sie nehmen beispielsweise Einfluss auf die Qualität der Leistungen, beschließen den Haushalt und bestimmen den Vorstand.

Es liegt also an den Beschäftigten selbst, unseren Sozialstaat aktiv mitzugestalten. Umso wichtiger ist es, soziale Verantwortung zu übernehmen. Auch, um den Kritikern, die Sozialwahlen für überflüssig halten und dafür die niedrige Wahlbeteiligung ins Feld führen, das Gegenteil zu beweisen.

Deswegen: Mitmachen, Stimme abgeben und ab mit dem roten Umschlag in den Briefkasten.

Heinrich Echterdiek und Bebra Duric

Selbstbewusst das Errungene verteidigen:Jemand muss doch helfen:
Als Mitglied eines Verwaltungsrats kann ich schon ein wenig mitbestimmen, in welche Richtung es geht. Mir ist wichtig, das Bewusstsein zu schärfen, soziale Verantwortung zu übernehmen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen und mich vernünftig einzubringen. Denn nur selbstbewusste Arbeitnehmer/innen können die Errungenschaften verteidigen, die wir uns über Jahrzehnte hinweg hart erkämpft haben – zum Beispiel das solidarische Krankenkassensystem. Ohne Mitwirkung funktioniert Demokratie nicht.
Selbstkritisch muss ich aber zugeben, dass wir nicht offensiv genug in der Öffentlichkeit über die Bedeutung der Selbstverwaltung aufgeklärt haben. Viele wissen leider (immer noch) nicht, um was es bei den Sozialwahlen geht.
Bei wichtigen Entscheidungen haben Mitglieder des Verwaltungsrats schon Einfluss – beispielsweise wählen und kontrollieren sie den Vorstand. Ich habe den Eindruck, dass meine Kolleginnen und Kollegen über die Sozialwahlen Bescheid wissen. Man kann sich auch ganz einfach informieren, im Internet oder in der Mitgliederzeitschrift der Kasse. Seit sechs Jahren bin ich jetzt dabei und stelle mich erneut zur Wahl. Ich mache das gerne, jemand muss doch helfen. Für mich ist das auch ein Weg, Reinigungskräfte zu repräsentieren und für mehr Respekt zu werben.
Heinrich Echterdiek, Rentner, Mitglied im Verwaltungsrat der IKK classikBedra Duric, Gebäudereiniger-Handwerk, Stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat der IKK classic

Andreas Schur und Wolfgang Kreis

Wir können was bewirken:Gleichberechtigt entscheiden:
Ich kandidiere, weil ich etwas mit bewegen möchte. So, wie es gerade bei den Krankenkassenbeiträgen läuft, geht es nicht weiter. Viele Leute können sich das nicht mehr leisten. Dass die Zusatzbeiträge sinken und paritätisch bezahlt werden, dafür möchte ich mich einsetzen. Die Mitglieder der Selbstverwaltung haben Einfluss. Viele wissen gar nicht, was die alles bewirken können.
Ein Kollege hat mich seinerzeit an die Hand genommen und mich nach und nach mit der Materie vertraut gemacht. Es dauert, bis man sich auskennt. Die Innungskrankenkassen entwickelten sich im 19. Jahrhundert aus Gesellenbruderschaften und gewährleisteten somit die Krankenversicherung des Handwerkers. Die IKK classic war und ist eine Krankenkasse für Handwerker, auch wenn nach der Öffnung 1996 der Zugang für jedermann möglich ist. Deswegen müssen wir gerade die jungen Kollegen immer wieder darauf hinweisen, wie wichtig das Handwerk ist.
Wenn wir unsere Stimme nicht abgeben beziehungsweise erheben, überlassen wir das Feld den anderen. Und verlieren so eine wichtige Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Die Vertreterversammlung der BG BAU entscheidet ebenso bei Satzungs- und Haushaltsangelegenheiten der Berufsgenossenschaft mit, wie auch ganz konkret bei Unfallschutz- und Präventionsmaßnahmen. Das sind Dinge, die die Kolleginnen und Kollegen vor Ort ganz direkt betreffen. Solche Entscheidungen
dürfen wir nicht den Arbeitgebern alleine gestatten, sie müssen gleichberechtigt getroffen werden.
Schön wäre es, wenn auch jüngere Gewerkschafter für Ämter in der Selbstverwaltung kandidieren würden. Klar, die Materie lernt man nicht von heute auf morgen, sondern nach und nach. Aber es sind ja genug „alte Hasen“ da, die einem alles beibringen können und wollen. Wir Beschäftigte müssen am Ball bleiben, und im Betrieb, im Freundes- und Verwandtenkreis über die Arbeit in den Gremien aufklären und für die Teilnahme an den Sozialwahlen werben.
Andreas Schur, Maler und Lackierer, Stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat der IKK classicWolfgang Kreis, Bauhauptgewerbe, unter anderem Vorsitzender der Vertreterversammlung der BG BAU