Seitenpfad:

Bundestagswahl 2025: Analyse der Wahlprogramme

Parteilogos als verschiedenfarbige Buttons
(Foto: Marek Studzinski / Unsplash)
20.02.2025
Arbeit

Die vorgezogene Wahl am 23. Februar 2025 hat zu einem verkürzten Wahlkampf geführt. Die Parteien konzentrieren sich auf wenige Kernthemen: Wirtschaft, Migration und Krieg. Sozialpolitische Fragen spielen aktuell, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch sind die Themen Arbeit und Soziales in den meisten Wahlprogrammen gesetzt. Die IG BAU schaut genauer hin und erklärt, was die Parteien zu den Themen Wohnen, Tariftreue und Rente zu sagen haben. Außerdem klären wir, ob und wie sie gegen Schwarzarbeit vorgehen wollen.

Wohnungsbau eingebrochen

Es brennt auf dem Wohnungsmarkt. Im vergangenen Jahr 2024 haben in Deutschland 540 000 Wohnungen gefehlt. Noch immer gibt ein Drittel aller Mieter*innen mehr als 30 Prozent des Einkommens für das Wohnen aus. Die Auftragslage im Wohnungsbau ist eingebrochen und der soziale Wohnungsbau stagniert. Die IG BAU hat dazu klare Forderungen formuliert: Bund und Länder sollen anteilig 50 Milliarden Euro für den Bau von 100 000 Sozialwohnungen bereitstellen. Um den Bau von bezahlbarem Wohnraum anzukurbeln, sollte es zinsverbilligte Darlehen geben. Die Mieten sollten langfristig auf einem niedrigen Niveau eingefroren werden. Doch was sagen die Parteien? Eine zentrale Unterscheidung ist die Frage, ob der Staat in den Wohnungsmarkt eingreifen soll oder ob der Markt es selbst regelt.

Aktive Rolle des Staates

Das Neubauziel der alten Bundesregierung von 400 000 Wohnungen jährlich, davon 100 000 öffentlich gefördert, wurde in keinem der vergangenen Jahre erreicht. Die SPD stellt in ihrem aktuellen Wahlprogramm keine konkreten Zahlen zu den Neubauzielen auf. Dennoch will sie gezielt in den Wohnungsbau investieren. Eine starke Rolle nimmt auch der Mieterschutz ein, etwa durch Regulierungen wie Mietpreisbremsen und die Begrenzung von Mieterhöhungen. Im Programm werden zudem Maßnahmen wie der Ausbau von Sozialwohnungen, eine Modernisierung des Baurechts sowie Förderungen für genossenschaftliches und klimafreundliches Bauen betont.

Ein Aspekt, der sonst nur im Wahlprogramm der Grünen aufgegriffen wird. Ihr Programm priorisiert nachhaltiges und klimafreundliches Bauen sowie den Erhalt von Grünflächen. Ähnlich wie bei der SPD wird ein Ausbau von Sozialwohnungen und genossenschaftlichem Wohnen angestrebt. Zusätzlich soll die Mietpreisbremse verschärft und ein bundesweiter Mietendeckel eingeführt werden.

Die Linke fordert einen umfangreichen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus. Geplant ist, Wohnraum stärker dem Markt zu entziehen und langfristig zu verstaatlichen. Sie fordert ebenfalls einen Mietendeckel, zusätzlich einen Mietenstopp und deutlich höhere staatliche Investitionen in den Wohnungsbau.

Sie und das BSW fordern eine Verbesserung der Wohngemeinnützigkeit, die zuvor bereits von der Ampel-Regierung eingeführt wurde. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen sollen steuerlich begünstigt und finanziell gestärkt werden, um langfristig bezahlbare Mietwohnungen für breite Bevölkerungsschichten zu sichern. Das BSW fordert zudem den Bau von jährlich 800 000 Wohnungen, eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und die Bekämpfung von Spekulation mit Wohnraum. Bürokratische Hindernisse sollen abgebaut und kommunale Wohnungsbaugesellschaften gestärkt werden. Auch hier wird ein bundesweiter Mietenstopp gefordert.

Der Markt soll es richten

Im Wahlprogramm der CDU/CSU wird der Fokus auf den Bürokratieabbau gelegt, um den Wohnungsbau zu beschleunigen. Sie streben einfachere Bauvorschriften und steuerliche Anreize für Investitionen in den Wohnungsbau an. Wohneigentum soll stärker gefördert werden, besonders für junge Familien.

Hier zeigen sich Schnittpunkte mit der FDP, die ihrerseits den Wohnungsbau durch Digitalisierung und Deregulierung ankurbeln möchte. Private Investitionen sollen durch steuerliche Anreize gefördert werden. Staatliche Eingriffe wie Mietpreisbremsen lehnt die FDP ab und setzt stattdessen auf marktwirtschaftliche Lösungen, um den Wohnungsmarkt zu entspannen.

Die AfD lehnt staatliche Regulierung im Wohnungsbau weitgehend ab. Sie möchte die Grunderwerbsteuer senken und Bauvorschriften lockern, um den privaten Wohnungsbau zu fördern. Die Mietpreisbremsen und staatliche Förderungen im sozialen Wohnungsbau werden abgelehnt. Bei der Vergabe von Wohnbaugrundstücken und Wohnraum sollen "Einheimische" bevorzugt werden.

Rente – zukunftssicher?

Wir brauchen flexible und abgesicherte Übergänge von der Arbeit in die Rente vor der Regelaltersgrenze, die auch bei Beschäftigten mit belastenden Tätigkeiten, in Kleinbetrieben und mit unterdurchschnittlichen Einkommen funktionieren. Die IG BAU fordert dafür staatliche Unterstützung für das Altersflexi-Geld: Eine neue Art Kurzarbeitergeld für Beschäftigte, die nachweislich aus gesundheitlichen Gründen ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr (oder nicht mehr vollschichtig) ausüben können und denen eine Kündigung droht. Zielgruppe sind Beschäftigte zwischen 58 und 63 Jahren mit langer Branchenzugehörigkeit. Diskussionen über eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters erteilen wir eine klare Absage.

Im Wahlprogramm heißt es bei der SPD zum Thema Rente unter anderem: "Wir haben die Grundrente eingeführt und die Leistung für Erwerbsgeminderte verbessert. Darauf werden wir aufbauen." Das Niveau der gesetzlichen Rente soll weiterhin "mindestens 48 Prozent" ausmachen, ein höheres Eintrittsalter wird abgelehnt, ein "abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren" soll möglich bleiben.

Eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, wollen die Grünen etablieren. Die Rente mit 67 bleibt bestehen, für Menschen, die länger arbeiten möchten, soll es Anreize geben. Für besonders langjährig Versicherte wollen sie die sogenannte Rente mit 63 beibehalten. Menschen, die lange in die Rentenkasse eingezahlt haben, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zur Regelrente arbeiten können, "verdienen unsere solidarische Unterstützung. Deshalb wollen wir die Erwerbsminderungsrente verbessern."

"An der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter halten wir fest", heißt es im Wahlprogramm von CDU/CSU. Die Regelung für besonders langjährige Versicherte mit 45 Versicherungsjahren soll beibehalten werden. Es soll aber auch mehr Anreize für freiwilliges längeres Arbeiten geben, unter anderem Steuervorteile.

Total "flexibel" zeigt sich die FDP beim Thema Rente. Die Beschäftigten sollen nach schwedischem Vorbild künftig selbst entscheiden, wann der Ruhestand beginnt, sofern dann keine Sozialleistungen beantragt werden müssen. "Je später jemand in Rente geht, desto höher die Rente – wer früher geht, bekommt eine niedrigere Rente." Teilrenten sind unkompliziert möglich. "Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, braucht weiter eine starke Unterstützung." Wie diese aussehen soll, wird nicht erläutert.

Eine "solidarische Erwerbstätigenversicherung" wollen die Linken, in die alle "Menschen mit Erwerbseinkommen" einzahlen. Auf diese Weise könne das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent steigen. Außerdem setzen sie die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren. "Wer 40 Jahre lang gearbeitet und selbst Beiträge gezahlt hat, soll ab 60 abschlagsfrei in Rente gehen können." Gegen Altersarmut soll eine "solidarische Mindestrente" helfen – für die, die wegen schlechter Jobs, erzwungener Teilzeit oder Erwerbslosigkeit keine auskömmliche Rente bekommen.

Eine "Mindestrente von 1500 Euro nach 40 Versicherungsjahren" fordert das BSW. Darüber hinaus folgendes Stufenmodell: Nach 30 Versicherungsjahren liegt die Mindestrente bei 1300 Euro und nach 15 Jahren bei 1200 Euro. Wer 45 Jahre gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt hat, muss abschlagsfrei mit 63 Jahren in Rente gehen können. Alle Beschäftigten sollen in die Rentenkasse einzahlen, das durchschnittliche Leistungsniveau sollte bei mindestens 75 Prozent des im Arbeitsleben erzielten Nettoeinkommens liegen.

Auch die AfD möchte die Rentenkasse auf eine breitere Basis stellen, indem weitere Personenkreise (zum Beispiel Politiker*innen) einzahlen. Ein "flexibles Renteneintrittsalter, abschlagsfrei nach 45 beitragspflichtigen Arbeitsjahren" soll ermöglicht werden.

Tariftreue verbindlich machen?

Faire Arbeitsbedingungen – das fordern wir für alle Beschäftigten. Dazu gehört vor allen Dingen eine angemessene Bezahlung – geregelt in verbindlichen Tarifverträgen. Es ist eine bedenkliche Entwicklung: Seit Jahrzehnten nimmt die Zahl der Betriebe mit Tarifvertrag ab. Das heißt, immer mehr Beschäftigte in Deutschland arbeiten ohne Tarifbindung. Deshalb fordert die IG BAU insbesondere folgende Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung: Tariftreuegesetz, Subunternehmerketten auf zwei Glieder begrenzen, Fördermittel und Wirtschaftshilfen an Tarifverträge koppeln, Verbandsklagerecht sowie eine Reform des Verfahrens zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Das Kabinett hat im November ein entsprechendes Tariftreuegesetz verabschiedet, es müsste allerdings noch von Bundesrat und -tag bestätigt werden. Momentan ist das äußerst fraglich.

Die SPD meint in ihrem Programm dazu: "Wir werden mit einem Bundestariftreuegesetz dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge des Bundes nur an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Dieser Grundsatz muss auch für europäische öffentliche Aufträge gelten. Deshalb setzen wir uns auch für ein europäisches Tariftreuegesetz ein. Wenn öffentliche Gelder und Fördermittel für die Bewältigung der Transformation von Unternehmen eingesetzt werden, sollen sie konsequent an die Kriterien Tarifbindung, Standortentwicklung, Beschäftigungssicherung und Qualifizierungsstrategien gebunden werden. Wir werden die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtern und ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften einführen."

Auch die Grünen halten weiterhin an dem Vorhaben fest. Sie wollen "die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen erleichtern" und durch ein Tariftreuegesetz "öffentliche Aufträge des Bundes in der Regel an Unternehmen vergeben, die nach Tarif bezahlen".

CDU/CSU wollen zwar auch die "Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen stärken", fordern aber auch "mehr Tariföffnungsklauseln", um Regelungen zu ermöglichen, die "vor Ort passender sein können als unflexible Pauschalregelungen in der Fläche". Das bedeutet im Klartext: Flächentarifverträge wie beispielsweise am Bau oder in der Gebäudereinigung schwächen.

"Öffentliche Aufträge dürfen nur Unternehmen bekommen, die Tarifverträge einhalten, auch bei ihren Subunternehmen", haben die Linken in ihrem Wahlprogramm aufgenommen, das BSW will eine "deutlich höhere Tarifquote für Deutschland". Zu erreichen über folgende Maßnahmen: "Öffentliche Aufträge und Subventionen sollen nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tariflöhne zahlen." Zudem soll die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen erleichtert werden.

Und was sagen eigentlich AfD und FDP zu diesem Thema? Nichts!

Einsatz gegen Schwarzarbeit

Unangemeldete oder absichtlich falsch gemeldete Arbeit ist nach wie vor ein riesiges Problem. Allein in der Bauwirtschaft entgehen dem Staat jährlich 126 Milliarden Euro durch Schwarzarbeit. Kontrollen und Razzien wirken da nur punktuell, weil die Behörden, wie der Zoll oder die Deutsche Rentenversicherung, die Daten nicht in Echtzeit, also direkt in den Betrieben oder auf der Baustelle überprüfen können.

Die IG BAU verfolgt deshalb nicht nur einen Ansatz, sondern setzt auf ein Bündel an Maßnahmen, um das Geflecht aus Sub-Unternehmerketten und unklaren Geschäftsbeziehungen zu entwirren. Dazu gehört die Einführung einer verbindlichen elektronischen Zeiterfassung, die Abschaffung der Sozialversicherungsfreiheit für Minijobs, eine deutliche personelle Aufstockung der Kontrollbehörden, die Ausweitung der Generalunternehmerhaftung auf Auftraggeber*in und die Begrenzung von Subunternehmerketten.

CDU/CSU stellen die Behörden in den Mittelpunkt. Die für die Kontrolle der Löhne und der Sozialversicherungsbeiträge zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) soll durch einen verbesserten Datenaustausch gestärkt werden. Die Partei will Schwarzarbeit und Sozialleistungsmissbrauch konsequenter bekämpfen und die Kontrollmechanismen verschärfen.

Auch das BSW setzt auf verstärkte Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Ein Schwerpunkt liegt hier aber auf der Verhinderung von Bürgergeldbezug bei gleichzeitiger Schwarzarbeit.

Die SPD setzt auf einen moderneren Zugang. Sie plant den Aufbau einer spezialisierten Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität und Steuerhinterziehung. Besonderer Fokus liegt auf der Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug in Branchen, wo besonders viel Bargeld im Umlauf ist. Zudem will die Partei Missbrauch bei Minijobs eindämmen und Wege in sozial abgesicherte Beschäftigung eröffnen.

Die FDP konzentriert sich auf strukturelle Lösungen. Sie fordert den Aufbau effektiver Strukturen zur Finanzkriminalitätsbekämpfung und eine Stärkung der Zollämter. Die Partei setzt auf eine konsequente Verfolgung von Steuerbetrug und Schwarzarbeit.

Die Linke konzentriert sich auf arbeitsrechtliche Aspekte wie die Verteidigung des 8-Stunden-Tages und eine Begrenzung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden.

Die Grünen wollen den Missbrauch von Werkverträgen und Schwarzarbeit mit einer digitalen und manipulationssicheren Erfassung der Arbeitszeit angehen.

Im Programm der AfD zur Wahl zum 21. Deutschen Bundestag finden sich dazu keine Forderungen.

Übrigens: Auf der Landing Page deine.igbau.de/mach-dich-stark präsentieren wir die zentralen politischen Positionen der IG BAU gebündelt. Damit wollen wir unsere Haltung zu wichtigen Themen sichtbar machen und Orientierung bieten.