©IG BAU (Kay Herschelmann)
14.06.2017
E wie Ehrenamt
Ein halbes Jahr keinen Lohn. Das passiert doch nur woanders, ganz weit weg – aber doch nicht hier. Doch, genau hier, mitten in Berlin.
Jens Schmidt ist ein großer, kräftiger Mann. Einer, der anpacken kann. Und der das auch gerne macht. Seit 2011 als Haustechniker bei der Firma Piepenbrock in Berlin. Und seit 2014 als Mitglied des dortigen Betriebsrats. Das soll er aber alles nicht mehr dürfen – zumindest, wenn es nach seinen Chefs geht. „Die haben mir im November fristlos gekündigt.“ Aus fadenscheinigen Gründen.

Seitdem bekommt er kein Geld. Obwohl das Berliner Arbeitsgericht die Kündigung aufgehoben hat. Mehr als 5000 Euro beträgt der Lohnrückstand mittlerweile. Jens und seine Betriebsratskollegen haben eine Vermutung, was wirklich hinter dem Rausschmiss steckt: „Die wollen den Betriebsrat zerschlagen. Ich bin darin der einzige Techniker, und die haben Angst, dass noch mehr meinem Beispiel folgen.“

Natürlich hat er mit Hilfe des DGB-Rechtschutz gegen die Kündigung geklagt und vor dem Berliner Arbeitsgericht Recht bekommen. „Die Richterin hat klipp und klar gesagt, dass die angegebenen Gründe noch nicht einmal für eine normale Kündigung reichen.“ Trotzdem: Auf sein Geld wartet der 53-Jährige immer noch vergebens. Auch hier greift Piepenbrock ganz tief in die Trickkiste der Arbeitgeber: Erhaltene Zahlungen wurden als Vorschuss ausgewiesen und rechtswidrig mit Krankheits- oder Urlaubslohn verrechnet.

Das alles passt so gar nicht zur Firmenphilosophie des Dienstleisters, in der es unter anderem heißt: „Unsere wirtschaftlichen Ziele basieren auf der Verantwortung für die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter. Sie sind unser wichtigstes Kapital. Wir sind uns der Verantwortung ihnen gegenüber bewusst und streben nach einer langjährigen Zusammenarbeit.“

Jens‘ Ersparnisse sind mittlerweile aufgebraucht. „Manchmal steckt mir meine Mutter etwas zu, und meine Schwester lädt mich ab und an zum Essen ein.“ Für die Miete hat’s bislang immer irgendwie gelangt. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann er seinen Vermieter um Aufschub bitten muss. „Irgendwie demütigend“, findet Jens. Auch weil sich niemand so richtig zuständig für ihn in seiner Situation fühlt.

„Beim Arbeitsamt heißt es, ich hätte ja noch Arbeit. Über meinen Antrag auf die sogenannte Gleichwohlgewährung wurde noch nicht entschieden.“ Unterstützung bekommt er von seinen Mitstreitern im Betriebsrat sowie den Kolleginnen und Kollegen der IG BAU. „Die halten zu mir“, freut er sich – moralisch und auch finanziell. „Solidarität mit Jens“ steht auf der gelben Spenden-Wutz mit der sie durch Objekte und Betriebe gehen oder während Veranstaltungen auf Jens‘ Situation aufmerksam machen.

„Gut, dass ich nicht alleine bin“

Das ist auch der Grund, warum der Berliner dieses „Wechselbad der Gefühle“ auf sich nimmt und „die Sache durchzieht“ – sei es vor Gericht oder indem er sich weiter als Betriebsrat für seine Kolleginnen und Kollegen einsetzt. Das ist er denen, die zu ihm halten, schuldig. Und einen positiven Nebeneffekt hat die ganze Angelegenheit auch noch. „Einige meiner Techniker-Kollegen sind in die IG BAU eingetreten. Denn das, was mir passiert ist, kann morgen jeden treffen“, ist sich Jens sicher.

Und noch etwas anderes hat er gelernt: „Am Anfang habe ich das alles noch persönlich genommen. Mittlerweile weiß ich, dass die das nicht persönlich meinen. Einziges Ziel ist, den Betriebsrat zu zerschlagen und dessen Mitglieder zu zermürben.“ Auf seine Kosten. Ob er nach all diesen Erfahrungen noch mal kandidieren würde? „Na klar, auf jeden Fall. Ist doch eine gute Sache!“

P.S. Kurz nach unserem Gespräch rückte Jens in die Freistellung beim Betriebsrat nach. Die Betriebsratsstunden bekommt er bezahlt.

Ein Beitrag unserer Kollegin Christiane Nölle (erschienen in "Der Grundstein/Der Säemann", 6/2017)