Martina Gordon
(Foto: zplusz/Sebastian Schloen)
29.11.2022
E wie Ehrenamt

"Wir hatten ja nichts zu verlieren": 2008 wandte sich Martina Gordon an die IG BAU, weil ihr Arbeitgeber sich weigerte, während einer Erkrankung ihren Lohn weiter zu zahlen. Das Ergebnis: Gemeinsam mit einem Kollegen gründete sie in Oberhausen den ersten Betriebsrat (BR) bei Sea Life Deutschland.

Dass das Interesse an einer Beschäftigtenvertretung hoch war, zeigte die Wahlbeteiligung von 99 Prozent. "Das britische Management kannte keine deutschen Gesetze zumindest, was die Rechte der Beschäftigten angeht. Viele wollten einen BR, aber niemand traute sich, das anzugehen", erinnertsich Martina. Die Betriebsratsgründung wurde so lange es ging geheim gehalten. Noch am Tag der Wahl versuchten aus der Hamburger Zentrale von Sea Life Deutschland entsandte Vertreter*innen, die BR-Gründung zu verhindern. "Aber wir hatten ja nichts zu verlieren. Schließlich mussten sie es zähneknirschend einsehen, dass sie uns nicht abhalten können."

Die ersten Jahre der BR-Arbeit waren entsprechend mühsam: "Da mussten wir vieles vor Gericht klären lassen. Inzwischen haben wir zum Glück neue Manager*innen vor Ort, die sich bemühen, wirklich gut mit uns zusammenzuarbeiten. Auch wenn es natürlich hin und wieder unterschiedliche Ansichten gibt." Mittlerweile hat jeder Standort von Sea Life Deutschland einen Betriebsrat, und 2011 wurde ein Gesamtbetriebsrat gegründet.

Martina hat 2004 am Tag der Eröffnung als Aushilfe bei Sea Life in Oberhausen angefangen. Die gelernte Einzelhandelskauffrau war davor ihren beiden Kindern zuliebe zehn Jahre nicht berufstätig gewesen und musste sich neu orientieren. Sie begann als Stundenkraft im Retailbereich und in der Gastronomie, wurde Assistentin und Supervisor und wechselte schließlich ins Office, wo sie "alles tut, was so anfällt".

Alleine knickt man schneller ein

Von 2008 bis 2014 war Martina BR-Vorsitzende in Oberhausen. Den Vorsitz konnte sie nicht beibehalten, da sie durch die jahrelange Pflege ihrer Eltern stark gefordert war; sie blieb aber immer Mitglied des BR. Das Gremium hat viel erreicht. Die Urlaubssperre während der  Schulferien konnte der BR über eine Betriebsvereinbarung (BV) abschaffen, eine Arbeitszeitregelung legt inzwischen fest, dass die Beschäftigten nicht mehr zehn bis zwölf Tage am Stück arbeiten, sondern nur noch fünf bis sechs. Eine weitere BV regelt, dass die siebentägige Rund-um-die-Uhr-Rufbereitschaft für Aquarist*innen zusätzlich vergütet wird. 2018 hat der Betriebsrat für sein Projekt "Betriebsratsänderung ohne Betriebsrat – ein NO GO" sogar den Deutschen Betriebsrätepreis erhalten. Aktuelle Anliegen sind ein "Center-Bonus" – den bislang nur Festangestellte erhalten –  für alle sowie eine Lohnstaffelung für Stundenkräfte entsprechend ihrer Betriebszugehörigkeit.

Dass die IG BAU bei Fragen stets erreichbar ist, weiß Martina sehr zu schätzen: "Die stehen immer hinter uns, darauf können wir uns verlassen. Mit dieser Unterstützung zieht man viel mehr durch, als wenn man es alleine versuchen würde, da knickt man schneller mal ein."

Martina ist froh, dass der kürzlich neu gewählte Betriebsrat gut für die Zukunft aufgestellt ist. Für sie ist es die letzte Amtszeit, in drei Jahren geht sie in Rente. Dann möchte sie sich bei der IG BAU engagieren. "Wir sind einer der wenigen Freizeitbetriebe mit Betriebsrat. Das sollte sich ändern! Die Beschäftigten der Freizeitanlagen müssen erfahren, dass die IG BAU sie vertritt und unterstützt."

Außerdem will Martina zukünftig mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. "Durch Wochenend- und Feiertagsarbeit kommt manchmal das Familienleben etwas zu kurz. Ich freue mich sehr darauf, mehr Zeit für meine Kinder, die Schwieger- und meine beiden Enkelkinder zu haben!"

Text: Cordula Binder
Der Artikel ist ursprünglich in der Oktober-Ausgabe des Grundstein erschienen.