Sylke Probst
(Foto: zplusz/Susanne Losert-Behr)
06.07.2022
E wie Ehrenamt

"Immer ein kleines Stück anders als die anderen." Dass sie in die Mitbestimmung passe, da sie gerne gegen den Strom schwimme, hörte Sylke Probst bei ihrem ersten Betriebsräte-Seminar. Aber das Finden gemeinsamer Lösungen ist ihr wichtig, sei es als Betriebsratsvorsitzende bei Gegenbauer oder im Vorstand der BG BAU.

Der Vorstand ist die "Regierung" der Berufsgenossenschaft. Seine ehrenamtlichen Mitglieder sind je zur Hälfte Vertreter*innen der Arbeitgeberseite und der Versicherten. Sylke ist seit 2017 Stellvertreterin auf Seiten der Versicherten: "Da wird richtig was entschieden zu den wichtigen Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, zu Beiträgen und Renten. Wir steuern die Arbeit der BG BAU! In den Vorstandssitzungen knallt es auch mal, weil gegensätzliche Interessen aufeinandertreffen. Aber wir müssen uns einigen, um gemeinsam der Vertreterversammlung etwas zu präsentieren." Bei den nächsten Sozialwahlen, die im Mai 2023 stattfinden, wird Sylke wieder auf der IG BAU-Liste für den Vorstand der BG BAU kandidieren. "Die Sozialwahlen ermöglichen uns, dass wir über die IG BAU-Listen in den Selbstverwaltungen unserer gesetzlichen Krankenkassen, Unfall- und Rentenversicherungen für unsere Interessen eintreten. Darum ist es so wichtig, sich an diesen eher unbekannten Wahlen zu beteiligen. Und wer sich engagieren möchte, kann sich sogar über die IG BAU als Kandidat*in aufstellen lassen!"

Auch an ihrem Arbeitsplatz bei Gegenbauer Property Services in Berlin setzt sich Sylke für Mitbestimmung und Beteiligung ein. Seit 1996 ist sie, mit kurzer "Babypause", Betriebsratsmitglied; seit 2010 freigestellte Betriebsrätin. Acht Jahre war sie Stellvertreterin und ist seit März neu gewählte Vorsitzende des 15-er Gremiums. "Als ich anfing, war das noch ein Betriebsrat der alten Männer. Das war nicht einfach", erinnert sie sich. Heute sind mit sechs Frauen sogar mehr weibliche Mitglieder vertreten, als die Quote fordert. Stolz ist Sylke darauf, dass sie in Gesprächen mit dem Arbeitgeber trotz mancher Auseinandersetzung bisher immer zu einem guten Ergebnis gekommen sind: "Man darf niemals das Band zerreißen. Es soll ja Spaß machen, am nächsten Tag wieder zu kommen und was Neues anzufangen." Eine Herzensangelegenheit ist Sylke ihre Arbeit als Vertrauensperson für Kolleg*innen mit Behinderung, die sie beispielsweise im betrieblichen Eingliederungsmanagement begleitet und bei unterschiedlichen Anträgen unterstützt: "Am Wichtigsten ist das Zuhören", betont sie.

Aus drei Monaten wurden 30 Jahre

Die gelernte Köchin hat kurz nach der Wende als Reinigungskraft bei Gegenbauer angefangen. "Die Gaststätte, in der ich gearbeitet hatte, wurde geschlossen. Mit drei kleinen Kindern war es schwierig, einen neuen Job zu finden. Bei Gegenbauer wollte ich drei Monate bleiben. Das war vor 30 Jahren", lacht sie. Gewerkschaftsmitglied ist Sylke mit dem Beginn ihrer Ausbildung geworden und 2006 der IG BAU beigetreten. Seitdem war sie in verschiedenen Gremien aktiv: Bezirksvorstand, Bezirksbeirat, Fachgruppe.

Besonders wichtig ist der geborenen Stralsunderin die Frauenarbeit in der IG BAU. 2010 hat Sylke die Teamerinnen-Ausbildung absolviert: "Das war das Beste, was mir je passieren konnte. Ich habe sowohl für die BR-Arbeit als auch für mich persönlich sehr viel gelernt. Wahrscheinlich bin ich vor allem durch diese Ausbildung da, wo ich jetzt bin." Sie war Vorsitzende des Bezirksarbeitskreises Frauen, ist Mitglied der Bundesfrauenkonferenz und seit 2016 im Bundesfrauenvorstand. Diese Arbeit und der Austausch haben Sylke gefehlt in den vergangenen zwei Jahren. Sie freut sich sehr auf die gemeinsame Konferenz mit den Gewerkschaftsfrauen aus Österreich und der Schweiz in Bellinzona im Mai (Anmerkung: gemeint ist der Mai 2022): "Der 2019 von den Schweizer Frauen organsierte Frauenstreik hat mich sehr bewegt und viele Frauen mobilisiert. Da möchten wir wieder anknüpfen und mehr Frauen, vor allem jüngere, für die gewerkschaftliche Arbeit begeistern!"

Text: Cordula Binder
Ursprünglich erschienen ist der Text in der Mai-Ausgabe des "Grundstein"