Tessa Ganserer
(© zplusz)
02.06.2021
E wie Ehrenamt

"Akzeptanz kann man nicht per Gesetz verordnen." Tessa Ganserer ist Gewerkschafterin, Forstwirtin sowie studierte Försterin und sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag. Als sie sich im November 2018 – als erste Abgeordnete in Deutschland – öffentlich als transsexuell outete, hat das ein riesiges öffentliches Echo ausgelöst.

Diese "Bühne" will Tessa nutzen, um sich für die Rechte und die Akzeptanz von queeren Menschen – Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LSBTI) – einzusetzen, auch in der Arbeitswelt: "Ich finde es beschämend und traurig, dass 30 bis 40 Prozent der Betroffenen sich nicht trauen, sich am Arbeitsplatz zu outen, aus Angst vor Diskriminierung. Man muss eine Atmosphäre schaffen, in der man für Vielfalt offen ist!" Hier sieht sie Politik und Gewerkschaften in der Pflicht: "Es darf nicht alleinige Aufgabe der Menschen sein, die Benachteiligung und Ausgrenzung erfahren, sich dagegen zu wehren. Das ist unser aller Aufgabe, dafür ist die Unterstützung von gesellschaftlich relevanten Kräften nötig!" Bei der Bayerischen Staatsregierung will die Landtagsabgeordnete einen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt einfordern, wie es ihn in allen anderen Bundesländern bereits gibt. Die Gewerkschaften sollten auf allen Ebenen und in allen Bereichen LSBTI-Themen anpacken und sich für die Rechte von queeren Menschen einsetzen. Und in der IG BAU wünscht Tessa sich eine Anerkennung der LSBTI als Personengruppe.

Für die Betriebe schlägt die erfahrene Gewerkschafterin eine "Musterbetriebsvereinbarung Akzeptanz" vor, die beispielsweise auch festlegt, wie mit dem Coming Out einer transgeschlechtlichen Person umzugehen ist. "Das wäre ein Zeichen der Unterstützung für die Betroffenen, eine Hilfestellung für den Arbeitgeber und gegenüber der gesamten Belegschaft eine deutlich akzeptanzfördernde Maßnahme", meint Tessa. Auch anonymisierte Bewerbungsverfahren würden Diskriminierung entgegenwirken. Die Gewerkschaften können ihre Mitglieder arbeitsrechtlich unterstützen, wenn diese aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Zugehörigkeit berufliche Nachteile erfahren. Und letztendlich käme es auf jede*n einzelne*n Kolleg*in im Betrieb an, gegen "blöde Sprüche oder unsägliche Schwulenwitze" aufzustehen.

Blick Richtung Berlin

Seit ihrem Coming Out engagiert sich Tessa bei der IG BAU vor allem frauenpolitisch und bei der IGay BAU. Gewerkschaftsmitglied ist sie schon 1993 während ihrer Ausbildung zur Forstwirtin geworden: "Ich komme aus einem einfachen Arbeiterhaushalt, und für mich war selbstverständlich, dass man sich gewerkschaftlich organisiert." Sie schnupperte in die Arbeit der Jungen BAU hinein und blieb ihrer Gewerkschaft treu, als sie das Fachabitur machte, ihren Zivildienst absolvierte, für drei Jahre im Garten- und Landschaftsbau arbeitete sowie an der Fachhochschule Weihenstephan Wald- und Forstwirtschaft studierte. Als mit der 2003 ausgerufenen Forstreform "der neoliberale Geist in Bayern voll zuschlug" – Einführung von Studiengebühren, Zerschlagung des Einheitsforstamtes, massiver Personalabbau im öffentlichen Dienst – war dies der Anlass für Tessa, aktiv zu werden: In der Gruppe der Angestellten und Beamt*innen im Forst und Naturschutz der IG BAU war sie zuerst als Studierendenvertretung im Landesvorstand und danach viele weitere Jahre aktiv.

Beruflich ging es für Tessa nach Abschluss ihres Studiums in die Bayerische Landespolitik. Schon seit 1998 ist sie Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, war an der Gründung der Grünen Jugend Niederbayern beteiligt und engagierte sich in verschiedenen Gremien vor allem für das Thema "Ökologie". Ab 2005 war sie Mitarbeiterin eines Grünen-Landtagsabgeordneten, bis sie 2013 im Wahlkreis Mittelfranken selbst Abgeordnete und damit "Vollzeit-Politikerin" wurde. In der Fraktion ist sie für Fragen des Öffentlichen Dienstes zuständig, und während sie früher zudem die Mobilitäts- und Forstpolitik betreute, ist sie seit der letzten Landtagswahl die queerpolitische Sprecherin. Tessas Blick in die Zukunft geht Richtung Berlin, denn im September wird sie bei den Bundestagswahlen für die Grünen kandidieren. Und mit Listenplatz 13 ist ihr ein Sitz im deutschen Bundestag so gut wie sicher.

Text: Cordula Binder