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Elfte Ordentliche Bundesfrauenkonferenz vom 11. bis 13. Juli 2025 in Steinbach

Elfte Ordentliche Bundesfrauenkonferenz
(Foto: IG BAU)
24.07.2025
Frauen

Mit großer Begeisterung und einem tiefen Gefühl der Verbundenheit blicken wir auf die elfte Ordentliche Bundesfrauenkonferenz der IG BAU Frauen zurück. Über 60 engagierte Frauen aus ganz Deutschland haben sich versammelt, um gemeinsam an einer Großbaustelle zu arbeiten: der Baustelle "Gutes Leben". Die IG BAU Frauen sehen diese Baustelle als eine Brücke hin zu einem guten Leben für alle. Es war eine Konferenz voller Energie, Inspiration und gemeinsamer Visionen – ein Fest des Zusammenhalts und der Zuversicht.

Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Frage: Was brauchen wir, um wirklich gut leben zu können? In diesem Wirtschaftssystem ist es nicht zu erreichen. Die Gesellschaft leidet unter dem fatalen Irrglauben, dass ewiges Wachstum die Lösung für Fortschritt und Wohlstand ist. Mehr Leistung, mehr Tempo, mehr Output – koste es, was es wolle. Um mithalten zu können, rennen wir wie die Hamster im Rad. Wem nützt dieses Wachstum eigentlich? Den Familien? Den Arbeiter*innen? Den Pflegenden? Den Alleinerziehenden? Nein! Dieser Irrsinn nützt vor allem denen, die ohnehin mehr als genug haben. Der Preis ist hoch. Wir zerstören unsere Lebensgrundlagen, vernichten wesentliche Teile der Flora und Fauna und beuten Tiere und Menschen aus. Wir werden taub für das, was uns berührt. Viele wissen nicht mehr, was ein gutes Leben ist.

Aus diesem Grunde haben die IG BAU Frauen die Baustelle "Gutes Leben" eröffnet. Weil sie überzeugt sind: Wir brauchen nicht mehr vom Gleichen, wir brauchen etwas anderes. Es ist gerade so, als säßen die Menschen in einem überfüllten Bus, der auf eine Wand zurast – und dahinter liegt es: Das gute Leben. Die IG BAU Frauen haben die Vision, eine Brücke über diese Mauer zu bauen. Und arbeiten an den Bausteinen der Pfeiler, die diese Brücke tragen! Sie haben nicht alle Antworten. Aber sie stellen die wichtigen Fragen. In einer Talkrunde haben sie über die nötigen Brückenpfeiler, hin zu einem guten Leben, diskutiert.

An der Talkrunde nahmen teil:

  • Prof. Dr. Klaus Dörre, er war über 20 Jahre Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist Autor und lehrt jetzt als Gastprofessor an der Universität in Kassel.
  • Nicole Simons, stellvertretende Bundesvorsitzende der IG BAU.
  • Und Sylvia Honsberg, Referentin und Dipl.-Soziologin.

Es ging unter anderem um einen ökologischen Sozialstaat, der sich gegebenenfalls als Brückenprojekt eigne. Er könne die Verbindung zwischen radikalem Systemwechsel und dem Realitätssinn für gesellschaftliche Kräfteverhältnissen sein. Produktion und Nachhaltigkeit wurden genauso bedacht wie auch die Förderung oder Sanktionierung von Unternehmen.

Talkrunde
(Foto: IG BAU)

Der Arbeitsbegriff muss verändert werden und Care-Work endlich fair behandelt. Schätzungen zufolge könnte der Wert dieser Arbeit, wenn man sie in Geld umrechnet, etwa 20 bis 25 Prozent des deutschen Bruttoinlandproduktes (BIP) ausmachen. Das zeigt, wie bedeutend diese Arbeit für die Gesellschaft und die Wirtschaft ist.

Wenn wir annehmen, dass die unbezahlte Care-Arbeit etwa 20 bis 25 Prozent des BIP ausmacht und das BIP in Deutschland im Jahr 2022 bei rund 3,4 Billionen Euro lag, dann ergibt sich ein Wert von 680 Milliarden Euro bzw. 850 Milliarden Euro allein durch die Sorgearbeit.

Die Schutzfunktion des Sozialstaates – beginnt bei den Schwächsten. Dabei wurde auch das Thema Bürgerversicherungen diskutiert. Die IG BAU hat seit Jahren ein gutes Konzept dazu und die Frauen sehen es als Notwendigkeit an, ebenso wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wobei Nicole Simons die Bedingungslosigkeit eher kritisch bewertete.

Dieses System ist nicht alternativlos und die Zukunft, die wir wollen, ist möglich. Das gute Leben entsteht nicht von selbst. Es ist das Ergebnis unserer Zuversicht, unseres Engagements und unserer gemeinsamen Visionen.

Workshop
(Foto: IG BAU)

So stand der Samstag ganz im Zeichen des Erfahrens. Die Teilnehmerinnen konnten in drei verschiedenen Workshops erleben, wie sich ein gutes Leben anfühlen kann.

In einem der Workshops traten sie eine meditative Reise mit Klangschalen an. Sie konnten das Gefühl erlangen, wie es ist, wieder ganz bei sich selbst zu sein, raus aus dem Hamsterrad.

Ein weiterer ließ sie im Rhythmus eines guten Lebens tanzen und dabei sich auf andere einlassen, spiegeln und selbst gespiegelt werden.

Im dritten Workshop konnten die Frauen ihre Visionen eines guten Lebens kreativ auf Leinwände bringen.

Am Sonntag fand der eigentliche Teil der Konferenz statt. Da gab es die Wahl des neuen Bundesfrauenvorstands und einen emotionalen Abschied von zwei Kolleginnen, die über viele Jahre hinweg das Rückgrat dieser Frauenarbeit in der IG BAU waren. Unsere Kolleginnen Ilse Bruttel, Dipl.-Ing aus Südbaden, amtierende Vorsitzende des Bundesfrauenvorstands und Cornelia Janisch, ebenfalls Dipl.-Ing. aus Südbrandenburg, sie war zuletzt stellvertretende Vorsitzende und ehemalige Vorsitzende.

Beide Frauen haben immer mit ganzem Herzen, mit ganzer Kraft und unermüdlich für Gerechtigkeit und die Rechte der Frauen gekämpft und Fortschritte aktiv mitgestaltet. Und so manches war auch ein Kampf. Sie bleiben für viele von uns Vorbilder und Freundinnen. Ihr Mut, ihre Erfahrung und ihre Leidenschaft sind ein wertvoller Schatz, den wir dankbar bewahren. Sie haben die Geschichte unserer Frauenbewegung mitgeschrieben und uns inspiriert, weiter für eine gerechtere Welt einzustehen!

Abschied von zwei Kolleginnen
(Foto: IG BAU)
Die hauptamtlichen Vertreterinnen mit dem neu gewählten Bundesfrauenvorstand sowie der Vertreterin der Jungen BAU
Die hauptamtlichen Vertreterinnen mit dem neu gewählten Bundesfrauenvorstand sowie der Vertreterin der Jungen BAU. V.l.n.r., stehend: Zeynep Bicici, Michaela Muthspiedel, Andrea Klinzing, Eva Winner-Nützel, Karina Pfau, Sylke Probst, Renate Wapenhensch, Ulrike Laux; kniend: Sandra Carnaghi, Margret Becker, Simone Hoffmeister, Anna Schwerdtel (Foto: IG BAU)

Ein besonders schöner Moment war die Wahl des neuen Bundesfrauenvorstands. Alle wurden einstimmig gewählt, was den Zusammenhalt und die Stärke der Frauenarbeit in der IG BAU auszeichnet.

Die Vorsitzende 

  • Eva Winner-Nützel kommt aus der Oberpfalz, sie ist Diplom-Bauingenieurin und freigestellte Betriebsrätin bei der Ed. Züblin AG.

Die stellvertretenden Vorsitzenden

  • Karina Pfau aus NRW ist Vorsitzende des Bezirksverbands Duisburg-Niederrhein, Betriebsrätin im GBR bei einem europäischen Ingenieur- und Beratungsunternehmen, wo sie als Projektassistentin arbeitet.
  • Sandra Carnaghi aus Nordhessen ist Technikerin beim ökologischen Pflanzenschutz der Universität in Kassel.

Als Schriftführerin gewählt wurde

  • Andrea Klinzing aus Rhein-Main, sie ist Team-Assistentin bei Apleona und Mitglied in der Tarifkommission.

Die Beisitzerinnen sind

  • Margret Becker aus Oberbayern, sie arbeitet in der Wohnungswirtschaft.
  • Simone Hoffmeister aus Nordost-Niedersachsen ist Haustechnikerin und arbeitet in einer Landesunterkunft für geflüchtete Menschen.
  • Michaela Muthspiedl aus Rheinland-Pfalz ist freigestellte Betriebsrätin und arbeitet bei der SOKA BAU.
  • Sylke Probst aus Berlin ist freigestellte Betriebsratsvorsitzende bei Apleona Property Services.
  • Anna Schwerdtel ist die Vertreterin der Jungen BAU und kommt aus dem Oderland.

Mit viel Herzblut, Mut und Zuversicht stellt der neu gewählte Bundesfrauenvorstand die Weichen für die nächsten Jahre.

Die Konferenz war geprägt von einem Geist des Aufbruchs, der Zuversicht und der Solidarität. Der Weg zu wahrer Gleichstellung und zu einem guten Leben ist eine Großbaustelle, die wir gemeinsam weiter vorantreiben. Es ist eine Aufgabe, die uns alle betrifft – eine Aufgabe, die nur gelingt, wenn wir zusammenstehen, unsere Stimmen erheben und unsere Visionen mutig verfolgen. Mit klaren Forderungen gehen wir voran – für eine Zukunft, in der alle Menschen die Chance auf ein gutes Leben haben, in der Gerechtigkeit, Solidarität und gegenseitiger Respekt die Grundlage unseres Zusammenlebens sind.

Text:
Renate Wapenhensch