Sonne am Sommerhimmel
(Foto: Lukas / Pexels)
24.06.2024
Gesundheitsschutz

Arbeiten unter freiem Himmel: Ob auf den Feldern, im Garten- und Landschaftsbau, im Forst, bei der Fenster- und Fassadenreinigung, auf den Dächern und Gerüsten – die IG BAU organisiert die heißen Branchen. Wir klären: Wie können wir uns vor der Sonne schützen? Welche Pflichten haben Arbeitgeberin und Arbeitgeber? Und welche Rolle kann die Tarifpolitik spielen?

Die Haut vergisst nicht

Schauen wir auf die Werte für die ultraviolette Strahlung der Sonne (UV), hätten wir diesen Artikel bereits im März veröffentlichen können. Meist wechselhaftes Wetter und öfter mal eine kühle Brise ändern nichts daran: Bereits ab März schädigt die UV-Strahlung Beschäftigte im Freien. Solariumbräune frei Haus mag zwar für einige ein schöner Nebeneffekt der Arbeit im Freien sein, die Nebenwirkung ist es nicht. Zu viel UV-Strahlung schädigt die Haut und erhöht das Hautkrebsrisiko. In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 200 000 Personen an Hautkrebs, der seit 2015 offiziell als Berufskrankheit anerkannt wird. Nicht selten tritt heller Hautkrebs erst mit Eintritt ins Rentenalter auf. Denn das Entstehen von Hautkrebs hängt ganz wesentlich davon ab, wie hoch die Gesamtdosis an Sonneneinstrahlung ist, der ein Mensch im Laufe seines Lebens ausgesetzt ist.

Dazu Dr. med. Claas Ulrich, Leiter des Hauttumorzentrums der Charité in Berlin, im Präventionsfilm der IG BAU: "Wir haben bei unseren Hautkrebssprechstunden beobachten können, dass besonders ältere Menschen betroffen sind, die schon lange aus den Berufen Dachdecker, Maurer oder Landwirt raus sind. Den Hautkrebs haben sie aber schon Jahrzehnte vorher erworben. Es wurde oberkörperfrei gearbeitet, ohne Kopfbedeckungen und mit so wenig Textil wie möglich. Das ist das, was wir momentan ernten. Dadurch kommt es zu dieser dramatischen Zunahme im Hautkrebsbereich."

Allein im Jahr 2021 gab es rund 2600 neue Verdachtsanzeigen in der Bauwirtschaft und im Bereich baunaher Dienstleistungen. Im Klartext: 16 Prozent aller Meldungen bei der Berufsgenossenschaft Bau entfielen auf Hautkrebs. Ähnliche Zahlen vermeldet die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), im Jahr 2020 gingen dort 2552 Verdachtsanzeigen auf eine berufsbedingte Hauterkrankung ein.

Sonnenschutz ist Arbeitsschutz

Wir kürzen einen Exkurs in das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung an dieser Stelle einmal ab und lösen auf: Sonnenschutz ist Arbeitsschutz und somit Sache der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Sie müssen im Vorfeld eine Gefährdungsbeurteilung durchführen: Wo steht die Sonne, welche UV-Werte werden im Laufe der Arbeitswoche erreicht? Dann gilt es, Wetterschutzzelte oder Sonnensegel aufzuspannen. Und die Gegebenheiten in die Arbeitsplanung mit einzubeziehen, um den natürlichen Lauf des Schattens zu nutzen. Dort, wo der Schatten steht, wird zuerst gearbeitet.

Auch eine verlängerte Mittagspause zur Mittagshitze ("Siesta") kann eine Möglichkeit sein. Doch Vorsicht vor dem "Mythos Mittagshitze": Der Höchststand der Sonne zur Mittageszeit ruft den höchsten UV-Wert hervor, ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der höchsten Tagestemperatur. Während in Deutschland die Sonne um 13:30 Uhr am höchsten steht, erreicht das Thermometer erst mit einiger Verzögerung zwischen 17 und 18 Uhr Spitzenwerte. Gebäude, Straßen und der Boden haben tagsüber Hitze gespeichert und geben sie zu diesem Zeitpunkt wieder in die Atmosphäre ab. Der Arbeitsplatz im Freien wird so schnell zur Sauna.

Rotieren gegen die Sonne

Eines ist klar: Es gibt nicht die eine Maßnahme zum Schutz vor Sonne. Erntedruck in der Landwirtschaft oder Zeitdruck im Forst, bei der Fassadenreinigung oder dem Bauausbau dürfen keine Entschuldigung für unbedachte Arbeitsplanung sein. Vorgesetzte, die die Gegebenheiten im Blick haben, kühlere Plätze, die Tagestemperaturen und UV-Werte identifizieren und vorausschauend planen, sorgen für kühle Köpfe bei der Belegschaft. Nach dem Rotationsprinzip können Beschäftigte im Innen- und Außenbereich, in der Sonne und im Schatten abwechselnd zum Einsatz kommen. Belastungs- und Erholungsphasen wechseln sich ab und verhindern, dass es zu Erschöpfung und infolge dessen zu Arbeitsunfällen kommt. Eine einfache Maßnahme, die zeigt, dass starre Arbeitsabläufe angesichts der Hitzebelastung infrage gestellt werden müssen. Kreativität ist gefragt und vor allem gilt: Die Beschäftigten
kennen ihren Arbeitsplatz am besten. Bringt Euch ein, wenn es darum geht, den Arbeitsplatz hitzefest zu machen. Das geht am besten über Euren Betriebsrat, der auch über Anpassungen beim Arbeitsund Gesundheitsschutz im Betrieb mitentscheidet.

Wer zahlt die Sonnencreme?

Reichen die technischen und organisatorischen Maßnahmen dennoch nicht aus oder bieten nicht genügend Schutz, muss
ergänzend persönliche Schutzkleidung bereitgestellt werden. Etwa UV-beständige und luftdurchlässige Kleidung oder UV-Schutzbrillen und Mützen mit integriertem Nackentuch. Natürlich darf auch die Sonnencreme nicht fehlen. Lichtschutzfaktor 50 ist angebracht
und die Creme sollte alle zwei Stunden neu aufgetragen werden. Die Kosten dafür müssen von der Arbeitgeberin und dem Arbeitgeber übernommen werden. Und genügend Wasser muss außerdem zur Verfügung gestellt werden. Denn, wer zu wenig trinkt, riskiert Kopfschmerzen, Konzentrationsverlust, Benommenheit, Übelkeit – Wassermangel kann schnell zum Hitzschlag führen. Eine Faustregel für die heißen Arbeitstage: alle 15 bis 20 Minuten ein volles Wasserglas.

Falsche Coolness

Doch gerade in kleinen Unternehmen ohne feste Zuständigkeiten für den Arbeits- und Gesundheitsschutz herrscht oft ein Klima falsch verstandener Männlichkeit. Oberkörperfrei bei der Arbeit versteht sich da von selbst und Sonnencreme ist nicht mehr als ein Pflegeprodukt. In einem solchen Klima möchten sich Beschäftigte nicht immer die Blöße geben und Schutzkleidung beim Chef einfordern. Doch es findet ein Umdenken statt, wie Prof. Dipl.-Ing. Frank Werner, Stellvertretender Leiter des Fachbereichs Bauwesen von der Berufsgenossenschaft Bau (BG BAU) feststellt: "Es ist deutlich Bewegung in das Thema gekommen. Unternehmer, aber auch Beschäftigte haben erkannt: Es ist wichtig, sich zu schützen. Es ist eben nicht normal, dass der Bauarbeiter mit freiem Oberkörper im Hochsommer draußen tätig ist."

Eine Selbstverständlichkeit

Was braucht es also, damit Risiken bei den Vorgesetzten und Beschäftigten erkannt und Schutzmaßnahmen auch effektiv in der Praxis umgesetzt werden können?

Grundsätzlich gilt: Das Wissen und das Verständnis darüber, warum man sich schützt, sind Voraussetzung für richtiges Verhalten. Führungskräfte müssen den Arbeits- und Gesundheitsschutz vorleben. Sie schaffen eine Kultur, in der beispielsweise das Tragen einer UV-Mütze mit Nackentuch und eines UV-Shirts sowie das Auftragen von Sonnencreme zur Selbstverständlichkeit werden. Dennoch besteht bei manchen Unsicherheit darüber, ob das Tragen den Kolleginnen und Kollegen angewiesen werden kann. Beispiel Bau: In Fragen der Arbeitssicherheit (zum Beispiel Helm, Warnweste oder Sicherheitsschuhe) sind Vorarbeiterinnen und Vorarbeiter auch
gegenüber Beschäftigten von Nachunternehmen direkt weisungsbefugt. Anders sieht es bei Maßnahmen zum Schutz gegen Hitze aus: Hier können sie keine Anweisungen geben. Gesetzeslage hin oder her – im Gespräch untereinander und mit Verweis auf die eigene Gesundheit lässt sich so manche Kollegin und so mancher Kollege überzeugen.

Vorsorge: Deine Aufgabe

Grundsätzlich haben gesetzlich Versicherte ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre Anspruch auf ein Hautkrebsscreening bei der Hausärztin oder dem Hausarzt. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen. Eine von der IG BAU mitverhandelte Sozialpartnervereinbarung in der Land- und Bauwirtschaft von 2019 geht noch weiter: Arbeiten Beschäftigte viel im Freien, sind Arbeitgeber*innen verpflichtet, ihnen regelmäßig eine arbeitsmedizinische Vorsorge zum UV-Schutz anzubieten. Die Kosten für diese Untersuchung, die während der Arbeitszeit stattfinden kann, tragen dabei die Arbeitgeber*innen. Voraussetzung: Das Unternehmen ist als Verbandsmitglied an der Sozialpartnerschaft beteiligt.

Innovative Tarifpolitik mit Weitsicht

Ist das Wetter schlecht, sodass nicht gearbeitet werden kann, greift auf dem Bau das Saison-Kurzarbeitergeld (früher: Schlechtwettergeld). Mit dieser Leistung der Bundesagentur für Arbeit können Baubetriebe ihre Entgeltausfälle in der Schlechtwetterzeit von Dezember bis März ausgleichen. Was aber ist im Sommer? Diese Frage hat die IG BAU im Jahre 2020" beantwortet. Im Detail wurde das im "Tarifvertrag Beschäftigungssicherung" geregelte Ausfallgeld hier auf die Sommermonate ausgeweitet. Kann wegen Hitze auf den Dächern nicht mehr weitergearbeitet werden, erhalten Beschäftigte 75 Prozent des zum Zeitpunkt des Ausfalls gültigen Stundenlohns. Die Leistung wird von der Sozialkasse des Dachdeckerhandwerks (SOKA-DACH) an den Betrieb erstattet. Das Beispiel zeigt: Dort, wo es existiert, kann das System der tariflich vereinbarten Sozialkassen einzelne Lösungen aus der Branche heraus entwickeln. Aber ohne Unterstützung von Seiten der Politik wird es nicht gehen, denn es braucht branchenübergreifende Lösungen für die "Outdoor-Berufe".

Politik in der Pflicht

Der Bedarf an Regelungen für unsere Arbeitswelt nimmt zu. Und das nicht nur aufgrund steigender Temperaturen. Zu den Folgen des Klimawandels kommen weitere Extremwetterereignisse, wie orkanartige Stürme, Starkregen, Hagelschauer, Überflutungen
und Hochwasser. Die Arbeit unter freiem Himmel wird gefährlicher. Am 1. Juli dieses Jahres wird das Klimaanpassungsgesetz in Kraft treten, in dem die Bundesregierung erste Handlungsfelder definiert. Der Arbeitsschutz wurde im Gesetzentwurf erst gar nicht und in der finalen Version nur am Rande adressiert. Eine grobe Fahrlässigkeit, denn unsere Arbeitswelt und der Schutz der Beschäftigten kann beim Klimawandel nicht zur Privatsache erklärt werden. Am 30. September 2025 will die Bundesregierung nun eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorlegen. Eins ist klar: Die IG BAU wird genau hinschauen, wenn es darum geht, die Belange ihrer – der heißen Branchen – abzubilden.

Text: Tobias Wark
Der Artikel ist ursprünglich in der Mai-Ausgabe des Grundstein erschienen.