Seitenpfad:

Mindestlohnverhandlungen im Bauhauptgewerbe: Interview mit Carsten Burckhardt

carsten burckhardt
Carsten Burckhardt (© IG BAU, Alexander Paul Englert)
09.12.2020
Bauhauptgewerbe

Das Jahr geht zu Ende – von den Verhandlungen für die Beschäftigten der "Mindestlohngruppen" im Bauhauptgewerbe lässt sich das leider noch nicht behaupten. Mit Verhandlungsführer Carsten Burckhardt sprachen wir über den aktuellen Stand, unsere Forderungen und natürlich auch die Haltung der Arbeitgeber*innen.

In diesem Jahr ist vieles anders. Inwiefern gilt das auch für die Verhandlungen um den Branchenmindestlohn?

Aufgrund der Corona-Maßnahmen werden die Verhandlungen zum Branchenmindestlohn Bau selbst nur in kleiner Runde durch ehren- und hauptamtliche Kolleg*innen geführt. Die anderen Mitglieder der Verhandlungskommission unterstützen uns „online“ und werden regelmäßig über Videokonferenz zugeschaltet. Diese Form der Abstimmungsprozesse war am Anfang der Pandemie schwierig. Heute sind wir geübter. Ob mit den 18 Kolleg*innen in der Verhandlungskommission oder den 100 Kolleg*innen in der Bundestarifkommission, mit der wir regelmäßig im Austausch stehen – in beiden Gremien klappt der Kontakt per Videokonferenz richtig gut.

Mit welchen Forderungen für unsere Mitglieder sind wir in die Mindestlohnverhandlungen gegangen? Was ist unser langfristiges Ziel mit Blick auf den Branchenmindestlohn?

Wir sind mit der Forderung nach einer deutlichen Erhöhung der Mindestlöhne sowie der Zahlung einer Corona-Prämie für die Lohngruppen 1 und 2 (West und Berlin) beziehungsweise für die Lohngruppe 1 (Ost) in die Verhandlungen eingestiegen. Unsere Mindestforderung ist, dass das Schlichter-Ergebnis vom September 2020 auch für die unteren Lohngruppen angewandt wird. Gerade sie dürfen nicht abgehängt werden. Für uns ist außerdem wichtig, dass Firmen, die sich an die gültigen Lohn- und Gehaltstarifverträge halten, vor ruinösem Preiswettbewerb geschützt werden müssen. Wir müssen verhindern, dass Billig- und Dumpingbetriebe verlässliche und sichere Arbeitsplätze oder gar ganze Tarifsysteme gefährden.

Schon seit Jahren streiten wir mit den beiden Arbeitgeberverbänden der Bauindustrie und des Handwerks darüber, wie so etwas funktionieren kann. Wir haben schon eine ganze Reihe an Vorschlägen erarbeitet und eingebracht. Die Arbeitgeber lehnen alles ab, was die Lohn- und Gehaltstarife in ihrer jetzigen Form besser schützt. Aus Unternehmenssicht eigentlich unverständlich, dass sie sich so gegen den Schutz vor Billigkonkurrenz wehren. Die Struktur der Mindestlöhne ist übrigens auch Teil der moderierten Spitzengespräche, die in der diesjährigen Schlichtung vereinbart wurden.

Welche Position vertreten die Arbeitgeber*innen?

Die Arbeitgeber wollen den unteren Lohngruppen die steuerfreie Pandemie-Prämie nicht zugestehen. Und sie wollen, dass der Mindestlohn 2 im Westen deutlich geringer steigt als der Mindestlohn 1. Das lehnen wir ab. Zumindest das Schlichtungsergebnis umzusetzen wäre aus meiner Sicht fair und richtig.

Warum werden Tarif- und Mindestlöhne getrennt voneinander verhandelt?

Für mich macht es wenig Sinn, wenn die Mindestlöhne eigenständig verhandelt werden. Im Lauf der vergangenen Jahre haben sich die Tarifverträge aufgrund unterschiedlicher Laufzeiten entzweit. Die Verhandlungen sollten wieder zusammengeführt werden. Nach meiner Auffassung schützen die Mindestlöhne unsere Tariflöhne und damit die tariftreuen Firmen und unsere Mitglieder. Mein persönliches Ziel ist es, dass sich die Mindestlöhne zumindest wie die Tariflöhne entwickeln.

Bei der letzten Mindestlohnverhandlung hat es einen Schlichterspruch gebraucht – wird es auch für dieses Jahr erwartet?

Wir waren ab dem ersten Moment abschlussbereit. Um einen Anschlusstarifvertrag zum 1. Januar 2021 zu ermöglichen, haben wir auf zügige Verhandlungen gesetzt. Jetzt, nach zwei Verhandlungen, ist unsere Schmerzgrenze erreicht. Die Karten liegen auf dem Tisch – es liegt nun an den Arbeitgebern. Wenn nicht im Dezember klare Zeichen von Arbeitgeberseite kommen, werden wir die Schlichtung anrufen.

Welche Auswirkungen hätte ein Scheitern der Verhandlungen? Wer wäre davon betroffen?

Unabhängig vom noch offenen Ausgang der Mindestlohn-Tarifverhandlungen wird ab 1. Januar 2021 zumindest der gesetzliche Mindestlohn von 9,50 Euro am Bau gelten. Unsere Mitglieder in Innungsunternehmen können ihre tarifvertraglichen Ansprüche aber sichern – denn der Tarifvertrag für die Lohngruppen 1 und 2 im Westen und Berlin sowie für die Lohngruppe 1 im Osten läuft weiter. Gewerkschaftsmitglieder und ihre Ansprüche sind also geschützt

Was können IG BAU-Mitglieder, die in den Mindestlohngruppen arbeiten, ab 1. Januar 2021 unternehmen?

Hast Du eine abgeschlossene zwei- oder dreijährige Ausbildung? Arbeitest Du als Facharbeiter und bekommst zwischen 12,55 und 15,40 Euro in der Stunde? Wechsel den Betrieb! Deine Arbeit hat mehr Wert! Aktuelle Stellenangebote aus der Branche gibt es zum Beispiel unter www.bau-stellen.de, dem Stellenmarkt der SOKA-BAU.

Es gibt viele Betriebe, die sich an Recht, Gesetz und Tarifverträge halten. Wir haben am Bau großen Fachkräftebedarf. Sei mutig – hör nicht auf dummes Geschwätz.

Hast Du aufgeschrieben, wie lange und was Du alles gearbeitet hast, wirst um Deinen Lohn betrogen und hast die Schnauze voll? Als IG BAU stehen wir verlässlich mit Beratungsangeboten bereit.

Wir unterstützen Dich auch vor Gericht. IG BAU-Mitglieder bekommen von uns kostenfreien Rechtsschutz. Das ist eine exklusive Leistung nur für unsere Mitglieder.

Was manche aus den Augen verlieren: Nur Gewerkschaftsmitglieder haben einen Rechtsanspruch auf den Tariflohn. Die Mitgliedschaft in der IG BAU ist also die Voraussetzung für Deinen persönlichen Erfolg.