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Staatsausgaben knacken 20-Milliarden-Marke: Zuschüsse fürs Wohnen 5-mal höher als Förderung von Sozialwohnungen

Vertreter*innen des Verbändebündnisses bei gemeinsamen der Pressekonferenz.
(Foto: Bündnis "Soziales Wohnen" | Tobias Seifert)
16.01.2024
Pressemitteilungen 2024

Bündnis fordert 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau. // Jetzt Unterstützerbrief der IG BAU unterzeichnen! Zur Petition.

Der Staat betreibt ein Missmanagement bei der Unterstützung fürs Wohnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Wohnungsmarkt-Studie vom Pestel-Institut (Hannover). Das Bündnis "Soziales Wohnen" stellte diese am heutigen Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin vor. In dem Sozial-Bündnis haben sich der Deutsche Mieterbund (DMB), die IG BAU sowie die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) gemeinsam mit zwei Verbänden der Bauwirtschaft zusammengeschlossen.

Die Untersuchung wirft Bund und Ländern vor, die Förderung von Sozialwohnungen massiv vernachlässigt zu haben. Dadurch sei ein "dramatischer Mangel an sozialem Wohnraum in Deutschland" entstanden: So fehlen nach Berechnungen der Wissenschaftler bundesweit aktuell mehr als 910 000 Sozialwohnungen.

"Um bedürftigen Haushalten das Wohnen überhaupt noch zu ermöglichen, ist der Staat mittlerweile gezwungen, stetig steigende Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt zu akzeptieren. Dabei zahlt er sogar Mieten, die oft deutlich über der Durchschnittsmiete liegen. Dadurch sind die notwendigen staatlichen Ausgaben für das Wohngeld und für die Kosten der Unterkunft geradezu explodiert. Am Ende profitieren davon allerdings vor allem die Vermieter", sagt Studienleiter Matthias Günther vom Pestel-Institut.

Er nennt dazu konkrete Zahlen: Spitzenreiter bei den "Turbo-Mieten" sei die bayerische Landeshauptstadt München. Hier lag die von den Job-Centern gezahlte Miete bei den Kosten der Unterkunft mit 19,40 Euro pro Quadratmeter rund 6,60 Euro – und damit über 50 Prozent – über der Münchner Durchschnittsmiete. Unterm Strich bezahlt der Staat nach Berechnungen des Pestel-Instituts dadurch allein in München schon eine Millionensumme an "Mehr-Miete" – und das Monat für Monat. Bundesweit ermittelt die Studie nur bei den Kosten der Unterkunft im Vergleich zur Durchschnittsmiete rund 700 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr.

Die Studie zeigt, dass der Staat in besonders angespannten Wohnungsmärkten, in denen es an bezahlbaren Alternativen mangelt, überhöhte und damit deutlich über dem Durchschnitt liegende Mieten bei der Übernahme der Kosten der Unterkunft zahlt. "Es liegt damit nahe, dass dort, wo sich Mieterhöhungsspielräume auftun, ein Teil der Vermieter diese auch nutzt", so das Bündnis "Soziales Wohnen". Diese Spielräume müssten durch effektives Mietrecht dringend begrenzt werden.

Insgesamt hat der Staat nach Angaben der Wissenschaftler im vergangenen Jahr erstmals mehr als 20 Milliarden Euro an Sozialausgaben für die Unterstützung bedürftiger Menschen beim Wohnen ausgegeben: gut 15 Milliarden Euro für die Kosten der Unterkunft, die überwiegend von den Job-Centern gezahlt werden. Und zusätzlich über 5 Milliarden Euro für das Wohngeld. Dagegen lagen die Ausgaben von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau in den letzten Jahren lediglich bei gut 4 Milliarden Euro pro Jahr, so die Studie.

"Die Sozialausgaben fürs Wohnen sind damit 5-mal so hoch wie die Förderung für den Neubau von Sozialwohnungen. Das ist ein deutliches Missverhältnis. Vor allem der Bund hat hier seit Jahrzenten ein Missmanagement betrieben: Er hat den Sozialwohnungsbau – also die Objektförderung – bis vor kurzem auf ein Minimum heruntergefahren und damit drastisch steigende Ausgaben für die Kosten der Unterkunft und für das Wohngeld – also für die Subjektförderung – provoziert", so Pestel-Institutsleiter Günther.

Gegensteuern könne der Staat nur, wenn er jetzt anfange, "massiv in die Schaffung von deutlich mehr Sozialwohnungen" zu investieren. "Denn jede einmalige Förderung, durch die eine neue Sozialwohnung entsteht, erspart dem Staat erhebliche Summen, die er sonst auf Dauer für Mietzahlungen ausgeben müsste. Das ist eine einfache Rechnung, die vor allem der Bund spätestens dann beherrschen muss, wenn die Sozialausgaben durch die Decke gehen: nämlich jetzt", so Matthias Günther.

Die Botschaft, die das Bündnis "Soziales Wohnen" damit im Endspurt der Beschlüsse zum Bundeshaushalt 2024 platziert, ist klar: "Die beste Kostenbremse bei der Subjektförderung ist eine rasche und entschlossene Objektförderung." Die konkrete Forderung dazu: Bund und Länder sollen umgehend 50 Milliarden Euro für die Förderung von sozialem Wohnraum bereitstellen. Nur so könne es gelingen, dem Ampel-Ziel, 100 000 Sozialwohnungen pro Jahr neu zu bauen, wenigstens ein Stück näher zu kommen – und damit "ein Regierungsversprechen nicht komplett zu brechen".

Sozialwohnungsbau sei eine Aufgabe, die dauerhaft – über Legislaturperioden hinweg – abgesichert werden müsse. "Daher muss der soziale Wohnungsbau als gesamtgesellschaftliche Aufgabe grundgesetzlich abgesichert und von der Schuldenbremse ausgenommen werden"“, fordert das Bündnis "Soziales Wohnen".

Darüber hinaus fordert das Bündnis "Soziales Wohnen" eine Steuerreduzierung für den sozialen Wohnungsbau: Für den Neubau von Sozialwohnungen sollen künftig lediglich 7 statt – wie bisher – 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden.

Außerdem soll ein Sonderbudget "Sozialer Wohnungsbau" geschaffen und gezielt dort eingesetzt werden, wo der Mangel an Sozialwohnungen besonders hoch ist. Spitzenreiter seien hier Baden-Württemberg (206 000 fehlende Sozialwohnungen), Bayern (195 000), Berlin (131 000) und Niedersachsen (109 000).

Von dem Sonderbudget würden Städte und Regionen profitieren, in denen der Staat heute gezwungen ist, überdurchschnittlich hohe Mieten für bedürftige Haushalte zu zahlen, die er beim Wohnen unterstützt. Das Bündnis fordert damit "Treffsicherheit bei der sozialen Wohnraumförderung statt Gießkannenprinzip".

Außerdem warnen die Bündnispartner den Bund, "weiterhin wertvolle Zeit verstreichen zu lassen": Das Defizit bei den Sozialwohnungen sei "ein ebenso drastisches wie akutes Problem". Deshalb komme es darauf an, die für die Jahre 2026 und 2027 geplanten Mittel "unbedingt jetzt für den sozialen Wohnungsbau bereitzustellen". Der Sozialwohnungsmangel sein "kein Übermorgen-Problem".

Das Bündnis fordert darüber hinaus eine feste "Sozial-Quote" bei der Vergabe von Sozialwohnungen: Bundesweit soll es künftig in allen Kommunen "Wohn-Härtefallkommissionen" geben, die über ein 10-Prozent-Kontingent der zu vergebenen Sozialwohnungen entscheiden. Damit werde vor Ort die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei Wohnungsvergaben garantiert. Benachteiligte Menschen – insbesondere Menschen mit Behinderung – hätten dadurch "endlich wieder eine Chance, auf dem Wohnungsmarkt Fuß zu fassen", so das Bündnis. Außerdem soll ab sofort ein Kontingent von mindestens 10 Prozent der Sozialwohnungen, die pro Jahr neu gebaut werden, Menschen mit Behinderung bereitgestellt werden. Hierbei gehe es um kleine und barrierearme Wohnungen.

Über das Bündnis "Soziales Wohnen"

In dem Bündnis „Soziales Wohnen“ haben sich der Deutsche Mieterbund (DMB), die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) zusammengeschlossen. Bündnispartner sind darüber hinaus die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) als Dachverband der Mauersteinindustrie sowie der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB).

Statements der Partner im Bündnis "Soziales Wohnen"


Menschen mit Behinderung werden am Wohnungsmarkt diskriminiert – Jede 10. barrierefreie Sozialwohnung für Menschen mit Behinderung

Der Wohnungsmarkt ist diskriminierend. Menschen mit Behinderung und andere benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind vom Wohnungsmarkt fast ausgeschlossen.

Die Situation ist fatal: Es gibt über 8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung, aber weniger als 1,1 Million Sozialwohnungen in Deutschland. Weit über 15 Millionen Menschen haben – wenigstens auf dem Papier – Anspruch auf eine Sozialwohnung.

Deutschland verletzt Art. 19 der UN-Behindertenrechtskonvention. Menschen mit Behinderung haben keinen Zugang zu Sozialwohnungen. Durch den Mangel an barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum werden Menschen mit Behinderung strukturell benachteiligt. Der Aufbau einer selbständigen Existenz in der eigenen Wohnung bleibt für viele Menschen mit Behinderung ein Traum: Fast 200 000 Menschen mit Behinderung leben in Einrichtungen der Eingliederungshilfe.

Künftig müssen kommunale Härtefallkommissionen über ein 10-Prozent-Kontingent bei der Zuteilung von Sozialwohnungen an Menschen mit Behinderung entscheiden können. Der Zugang zu kommunalen Grundstücken, die zu deutlich vergünstigten Konditionen bereitgestellt werden, muss für Träger von Sozialunternehmen – wie der Caritas – gegeben sein, um für die hohe Nachfrage ausreichend Angebote zum Wohnen für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung zu schaffen.

Janina Bessenich | Geschäftsführerin
Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP)


Weniger Spielräume bei Mieterhöhungen – Mehr Geld für Sozialwohnungen

Die Lage am Wohnungsmarkt spitzt sich weiter zu: Steigende Mieten, kaum Neubau und keine Besserung in Sicht. Es fehlen mehr als 900 000 bezahlbare Sozialwohnungen im Bundesgebiet.

Die Krise mit immer höheren staatlichen Zuschüssen fürs Wohnen zu lösen, führt ins Leere.

Stattdessen braucht es jetzt endlich eine effektive Begrenzung von Mieterhöhungsspielräumen und deutlich mehr Ausgaben für den Bau von Sozialwohnungen.

Nur so lässt sich die Negativspirale am Mietmarkt durchbrechen und bezahlbares Wohnen langfristig sicherstellen.

Lukas Siebenkotten | Präsident
Deutscher Mieterbund (DMB)


Den Gau beim Wohnungsbau verhindern

Die Lage im Wohnungsbau ist ernst. Es droht Beschäftigungsabbau und der Verlust ganzer Wohnungsbau-Betriebe.

Was im Wohnungsbau wegbricht, könnten Straßen-, Brücken- Gleis- und Kanalbau kaum kompensieren.

Denn: Bau ist nicht gleich Bau. Wohnungsbau ist Wohnungsbau – mit allen dort Beschäftigten: vom Maurer und Gerüstbauer über den Zimmerer und Dachdecker bis zur Stuckateurin.

Es kommt deshalb darauf an, alles zu tun, um eines zu verhindern: den "Gau beim Wohnungsbau".

An der gesamten Wertschöpfungskette Wohnungsbau hängen über 3 Millionen Arbeitsplätze. Der Wohnungsbau ist damit ein entscheidender Konjunkturmotor in Deutschland.

Unser Warnruf: Die Politik darf die Arbeitsplätze unserer Kolleginnen und Kollegen auf dem Bau nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Sonst geht die mühsam aufgebaute Wohnungsbaukapazität verloren – und zwar für Jahre!

Aber: Deutschland braucht den Wohnungsbau – vor allem auch für den Bau von Sozialwohnungen. Denn den hat der Staat seit Jahrzehnten vernachlässigt: Ende der 1980er-Jahre gab es noch rund 4 Millionen Sozialwohnungen – allein im Westen. Heute sind es bundesweit nicht einmal mehr 1,1 Millionen.

Robert Feiger | Bundesvorsitzender
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)


Kanzler muss liefern – Zinsverbilligte KfW-Kredite sind nötig

Das Wohnungsdefizit ist um weitere 100 000 Wohnungen auf über 800 000 Wohnungen angestiegen. Es fehlen fast ausschließlich bezahlbare Wohnungen und Sozialwohnungen. Auf dieses Segment sind nicht nur Empfänger von Transferleistungen angewiesen, sondern alle Haushalte mit niedrigen Einkommen.

In der Konsequenz führt ein Mangel an bezahlbaren Wohnungen dazu, die Subjektförderung – also das Wohngeld und die staatlichen Ausgaben für die Kosten der Unterkunft – laufend zu erhöhen. Zum Glück gibt es ein staatliches Netz der Unterstützung beim Wohnen. Aber: Wohngeld und Kosten der Unterkunft schaffen keine Wohnungen.

Statt das serielle Bauen und Digitalisierungsstrategien gebetsmühlenartig in den Fokus der Wohnungsbaudebatte zu rücken, müssen Bauministerin, Finanzminister, Wirtschaftsminister und auch der Bundeskanzler endlich eine pragmatische Wohnungsbaupolitik liefern: Es geht darum, genehmigte, aber nicht begonnene Projekte im Bauüberhang für den Markt zur Verfügung zu stellen. Es kann nicht sein, dass Förderungen gestrichen und dass das Niveau bei den Anforderungen im Wohnungsbau ständig erhöht wird. Es kann nicht sein, dass Projektentwickler mit einer Ankündigungspolitik getäuscht werden.

Die Baubranche braucht kurzfristig zinsverbilligte Darlehen. Die müssen – unabhängig von der Haushaltslage des Bundes – verlässlich von der KfW vergeben werden: Die KfW muss zur Niedrigzins-Kredit-Bank für den Wohnungsbau werden. Nur damit lässt sich verhindern, dass die Branche dringend notwendig gebrauchte Kapazitäten in Produktion und bei Arbeitskräften abbaut.

Katharina Metzger | Präsidentin
Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB)


Verschärfung der Wohnungskrise zeichnet sich ab: Mauerstein-Industrie meldet Produktionseinbruch von 40 Prozent

Die Ampelregierung wollte die Anzahl der jährlich fertigstellten Sozialwohnungen von rund 22 000 Wohnungen auf 100 000 Wohnungen steigern. Ja, die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau haben sich sehr schnell, wesentlich verschlechtert. Aber wer sich solche ambitionierten Ziele setzt sagt damit auch: "Wir werden alles tun, was es braucht, entschlossen und schnell."

Genau das ist aber nicht passiert: Die Überforderung des Wohnungsbaus durch höhere Auflagen wurde kleingeredet. Diese wurden zum 1. Januar 2023 sogar nochmals angehoben. Auf die Finanzierungsprobleme wurde nicht angemessen reagiert. Es wurde das Märchen der angestaubten Bauwirtschaft erzählt, obwohl die Zeit auf der Baustelle die kürzeste Zeit im ganzen Projekt ist. Statt Fördergelder vorzuziehen, wurde der Betrachtungszeitraum von 4 auf 6 Jahre erweitert.

Selbst jetzt, wo wir Hersteller von Mauerwerkssteinen einen Produktionseinbruch von bis zu 40 Prozent verkraften müssen und in der Branche der Hersteller von Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden rund 20 Prozent der Beschäftigten in Kurzarbeit sind, wird behauptet, es gehe bald wieder aufwärts.

Wo sollen denn die vielen neuen Wohnungen herkommen, wenn die dafür benötigen Baustoffe nicht hergestellt werden? Bauen mit Mauerwerk ist noch immer mit Abstand die kostengünstigste Bauausführung und daher zu Recht mit einem Marktanteil von bis zu 80 Prozent im Wohnungsbau vertreten.

Der Einbruch unserer Absatzzahlen kündigt die deutliche Verschärfung der Wohnungskrise an. Nur eine schnelle und entschlossene Umsetzung der Forderungen dieses Bündnisses kann dies noch abwenden. Minimalkompromisse, eine Politik der vielen kleinen Schritte oder der immer neuen, unerfüllten Versprechen können wir uns nicht mehr leisten. Dafür ist die Aufgabe mit ihrer sozialen Sprengkraft zu groß.

Dr. Hannes Zapf | Vorsitzender
Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM)

Presse-Mitteilung "Staatsausgaben knacken 20-Milliarden-Marke: Zuschüsse fürs Wohnen 5-mal höher als Förderung von Sozialwohnungen"

Studie "Bauen und Wohnen 2024 in Deutschland"