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Tariftreuegesetz: Kommt da noch was?

Plenarsaal im Reichstag von oben.
(Foto: cocoparisienne / Pixabay)
27.11.2024
Arbeit

Es ist aus Sicht der Beschäftigten das wichtigste Gesetz dieser Legislaturperiode. Was in den meisten Bundesländern schon gilt, soll nun auch auf Bundesebene zur Norm werden: Aufträge nur an Unternehmen, die sich an die Bedingungen eines Tarifvertrages halten. Doch wie so oft rumort es in der Ampel-Regierung.

Der Staat schafft viele Jobs. Ob beim Neubau von Schienentrassen, Schulen oder Autobahnen – für Aufträge vom Bund werden jedes Jahr mehrere Milliarden Euro bereitgestellt. Ein Blick in die Vergabestatistik zeigt: Nur bei 12,7 Prozent von insgesamt rund 95 000 Aufträgen des Bundes spielen soziale oder ökologische Kriterien eine Rolle. Das zeigten Zahlen des Bundesfinanzministeriums für das zweite Halbjahr 2021. Im Klartext: Ob die Bauarbeiter beim Bau eines öffentlichen Gebäudes zu den Bedingungen eines Tarifvertrags arbeiten, ist in der Ausschreibung Nebensache. Doch gerade das Bauhauptgewerbe wäre Profiteur eines Tariftreuegesetzes. Weil es aktuell keine allgemeinverbindlichen Branchenmindestlöhne gibt, greift für Tätigkeiten der untersten Lohngruppe bei der Vergabe nur der gesetzliche Mindestlohn.

Schutz vor Billigkonkurrenz

Das würde sich mit einem Tariftreuegesetz ändern. Dann gilt gleiches Spiel für alle. Kein Bundesgeld für die billigsten Angebote – ohne Tariftreue gibt es kein Geld vom Staat! Unternehmen, die betriebliche Mitbestimmung ernst nehmen und Beschäftigten mit dem Abschluss von Tarifverträgen eine Zukunft geben, werden vor Billigkonkurrenz geschützt. Zur Erinnerung: Nur noch knapp die Hälfte  aller Beschäftigten in Deutschland arbeitet in tarifgebundenen Betrieben.

Von den Ländern lernen?

In den meisten Ländern – mit Ausnahme von Bayern und Sachsen – gelten bereits heute Tariftreuegesetze. Das Saarland schreibt beispielsweise die wesentlichen Kernarbeitsbedingungen des jeweiligen branchenspezifischen Tarifvertrages vor. Daran will sich nun auch Hessen orientieren. Und auch viele Kommunen haben heute schon die Möglichkeit, Tariftreue bei öffentlichen Ausschreibungen zur Vergabebedingung zu machen. Dennoch gibt es vereinzelt Probleme bei der Umsetzung auf Länderebene. Etwa, weil es, wie im Fall Thüringen, lange unklar war, welche Tarifverträge überhaupt angewendet werden können. Besser machte es das Land Berlin und erstellte ein Register mit Tarifverträgen nach Wirtschaftsbereichen. Bei der Umsetzung auf Bundesebene können hier also wichtige Lehren gezogen werden.

Unsere Anforderungen

Damit das Bundestariftreuegesetz ein Erfolg wird, hat die IG BAU gemeinsam mit den Mitgliedsgewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) klare Forderungen an die Politik gerichtet: Das Gesetz muss umfassend angewendet werden. Das bedeutet, für alle Bundesbehörden und ihre Unternehmen sowie branchenübergreifend. Auch kleine Bauleistungen
oder Reinigungs-Dienstleistungen gehören dazu. Natürlich gilt: Tarifverträge sind mehr als nur der Lohn, die wesentlichen Entgelt- und Arbeitsbedingungen, wie Arbeitszeiten oder Urlaub, gehören dazu! Und natürlich braucht es auch eine entsprechende Kontrollstelle.

Bürokratie, ein wirtschaftsliberaler Dauerbrenner

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellte am 9. September intern einen ersten Entwurf mit dem sperrigen Titel: "Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes und weitere Maßnahmen" vor. Die Tinte war gerade auf dem Papier getrocknet, da wurde das Vorhaben vom Koalitionspartner FDP schon wieder gänzlich in Frage gestellt. Zu viel Bürokratie hieß es. Ein wirtschaftsliberaler Dauerbrenner, der jedoch noch nie als Argument getaugt hat.

Und nun?

Für die Grundstein-Redaktion* wird es zunehmend schwieriger, verlässliche Informationen über Gesetzgebungsprozesse in dieser Legislaturperiode zu geben. Egal, ob bei Artikeln über das Rentenpaket oder beim Haushalt – was heute beschlossen ist, kann morgen schon wieder in Frage gestellt werden. Das Tariftreuegesetz bildet hier keine Ausnahme. Die Gefahr besteht, dass das Gesetz dem Tauschhandel zwischen den einzelnen Koalitionsparteien zum Opfer fällt. Frei nach dem Motto: Du bekommst meine Zustimmung nur, wenn du meinem Gesetz zustimmst. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht schwarz auf weiß, "Tarifverträge zur Bedingung bei Ausschreibungen zu machen". Die Bundesregierung muss das letzte Jahr ihrer Amtszeit nutzen, dieses Vorhaben umzusetzen.

Text: Tobias Wark


*Der Artikel ist ursprünglich in der November-Ausgabe des Grundstein erschienen. Das Ende der Ampel-Koalition war beim Verfassen noch nicht absehbar.
Am 27. November hat die Bundesregierung des Tariftreuegsetz auf den Weg gebracht. Dazu eine Pressemitteilung des DGB.