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Tarifwende: Tarif gibt’s nur aktiv

Eintreten für die Tarifwende
(Bild: DGB)
02.07.2024
Arbeit

Tarifverträge fallen nicht vom Himmel, und nicht alle Betriebe halten sich daran und zahlen ihren Beschäftigten das, was ihnen zusteht. Es ist an uns, das gemeinsam zu ändern. Tarifverhandlungengehören zum Kerngeschäft der IG BAU. Höhere Einkommen, bessere Arbeitsbedingungen, umfangreicher Gesundheitsschutz und vieles mehr lässt sich über Tarifverträge regeln.

 

Die Entwicklung ist bedenklich: Die Zahl der Betriebe mit Tarifbindung hat in den vergangenen Jahren immer weiter abgenommen. Nur noch rund die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland arbeitet in Betrieben, die Tariflohn bezahlen. Diesen Trend gilt es, zu stoppen. Die IG BAU und die anderen DGB-Gewerkschaften sagen der Tarifflucht den Kampf an. Denn Tarifbindung macht sich bezahlt – für Dich, aber auch für Deinen Betrieb. Sie schafft Transparenz, Sicherheit und Planbarkeit sowie einen fairen Wettbewerb.

Tarifbindung spürst Du jeden Monat auf Deinem Konto: Im Schnitt verdienen Beschäftigte mit Tarifvertrag bei gleicher Tätigkeit rund zwölf Prozent mehr, obwohl sie wöchentlich fast eine Stunde weniger arbeiten als ihre Kolleg*innen in tariflosen Betrieben. Darüber hinaus ist mit Tarifvertrag auch beim Urlaub oder der Arbeitszeit mehr für Dich drin: 74 Prozent der Beschäftigten mit Tarifvertrag erhalten Urlaubsgeld. Ohne sind es nur 35 Prozent.

Studien haben gezeigt: Betriebe mit Tarifbindung sind erfolgreicher. Dort, wo Beschäftigte im Betrieb mitgestalten können, sind Motivation und Produktivität höher. Und auch die Bindung der Beschäftigten an das Unternehmen ist stärker. Ein Vorteil, da so das Wissen im Betrieb bleibt.

Trotzdem gibt es immer noch viele Unternehmen, die man zu ihrem Glück zwingen muss. Wie das gehen soll? Die DGB-Gewerkschaften haben hierzu Forderungen ausgearbeitet (siehe rechts).

Diese Forderungen müssen wir kundtun: Im Betrieb, bei den Kolleginnen und Kollegen, beim Chef oder der Chefin. Zeigt, dass Ihr Euch Seite an Seite mit Eurer Gewerkschaft für faire Einkommen und gute Arbeitsbedingungen einsetzt.

Politik ist auch gefragt

Der Druck muss größer werden. Auch auf die Politik. Denn ohne die geht es nicht. Eine Forsa-Umfrage vom Januar 2024 zeigt: Die Menschen erwarten mehr Einsatz von der Politik. Sie hat eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Tarifverträge zu fördern und damit die Tarifbindung zu stärken. Dazu gehört beispielsweise die schnelle Umsetzung des geplanten Bundestariftreuegesetzes. Allerdings hat die Bundesregierung bisher noch nicht mal einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dabei ist sie auch durch die neue EU-Mindestlohnrichtlinie in der Pflicht. Auf diese haben sich das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten im Oktober 2022 geeinigt. 

Darin ist neben der Durchsetzung angemessener Mindestlöhne auch eine grundlegende Stärkung der Tarifbindung vorgesehen. Alle EU-Mitgliedstaaten, in denen weniger als 80 Prozent der Beschäftigten durch Tarifverträge geschützt sind, werden verpflichtet, konkrete Aktionspläne zur Erhöhung der Tarifbindung zu entwickeln. Bis zum 15. November 2024 muss die Bundesregierung alle erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie in Deutschland getroffen haben. Es wird also Zeit, dass etwas passiert. Zumal der Staat selbst von einer höheren Tarifbindung profitiert.

Gute Tariflöhne bringen mehr Einkommensteuer und Sozialbeiträge in die Kassen. Berechnungen zeigen: Mehrere Milliarden Euro kämen jährlich zusammen, wenn alle Unternehmen Tariflöhne zahlen würden. Geld, das der Staat zum Wohle aller investieren könnte. In Schulen, Kindergärten, Infrastruktur, Wohnungsbau, Gesundheitswesen und vieles mehr.

Zeit wird’s. Doch nicht nur die Politik ist gefragt, jede*r Einzelne von uns kann etwas ändern. Je mehr Mitglieder die IG BAU in den Betrieben hat, desto größer ist der Druck, den wir auf die Arbeitgeber*innen ausüben können. Es liegt also an uns allen, die Tarifwende ins Rollen zu bringen. Wann, wenn nicht jetzt!? Fachkräfte werden dringend gesucht, überall. Wenn alle Stricke reißen: Dem alten Boss die rote Karte zeigen und in einen tarifgebundenen Betrieb wechseln*. Dort gibt es auskömmliche Stundenlöhne, ordentliche Arbeitsbedingungen und langfristige Perspektiven.

Text: Christiane Nölle
Der Artikel ist ursprünglich in der April-Ausgabe des Grundstein erschienen.

Vertragsarten

Der Arbeitsvertrag regelt die Arbeitsbedingungen für ein einzelnes Arbeitsverhältnis, zum Beispiel den Lohn, die Arbeitszeit oder die Urlaubstage.

Bei einem Tarifvertrag ist stattdem einzelnen Beschäftigten immer die Gewerkschaft der Vertragspartner, also Deine IG BAU. Das Besondere an einem Tarifvertrag ist, dass die ausgehandelten Arbeitsbedingungen für die Mitglieder in den Verbänden unmittelbar und zwingend gelten.

Lohn- und Gehaltstarifverträge legen die Höhe der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen fest.

Rahmen-/Manteltarifverträge beschreiben die Tätigkeiten und Qualifikationen für die verschiedenen Lohn- und Gehaltsgruppen. Außerdem regeln sie die übrigen Arbeitsbedingungen, etwa die wöchentliche Arbeitszeit und den Urlaubsanspruch. Sie haben in der Regel längere Laufzeiten als Lohn- und Gehaltstarifverträge.

 

 

Ein Branchentarifvertrag – auch Flächentarifvertrag oder Verbandstarifvertrag genannt – wird zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband abgeschlossen. Der Vertrag gilt für alle Unternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbands sind. Das Problem: Immer mehr Arbeitgeberverbände lassen eine sogenannte "Mitgliedschaft ohne Tarifbindung" zu.

Ein Haustarifvertrag wird zwischen der Gewerkschaft und einem einzelnen Betrieb abgeschlossen. Er gilt nur in diesem Unternehmen.