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Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie: Gewerkschaften lehnen Gesetzesentwurf ab

eu fahne
© Pixabay
10.02.2020
Internationales

Der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften fordern umfangreiche Nachbesserungen beim Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie. Der Entwurf bleibt in der jetzigen Fassung weit hinter den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages sowie hinter den Vorgaben der Richtlinie zurück.

Die Situation für entsandte Beschäftigte muss konkret und effektiv verbessert werden, so sieht es die aktuell umzusetzende EU-Entsenderichtlinie vor und so hat es auch Bundesarbeitsminister Heil noch im Mai 2019 versprochen. In den nächsten Tagen soll im Kabinett ein entsprechender Gesetzentwurf beschlossen werden. Nach wie vor besteht jedoch kein Anlass zur Freude, denn der vorliegende Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums bleibt weit hinter den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, aber auch hinter den Richtlinienvorgaben zurück.

Bei den bisher seitens des Ministeriums und im aktuellen Gesetzentwurf geplanten Änderungen im Arbeitnehmerentsendegesetz muss deshalb in vielen Punkten deutlich nachgebessert werden.


Rechtssichere Erweiterung der landesrechtlichen Tariftreueregelungen ermöglichen
Ende November 2019 legte auch die Arbeits- und Sozialministerkonferenz fest, dass die Neuerungen der umzusetzenden Entsenderichtlinie Fortschritte ermöglicht und umzusetzen sind: Das gilt besonders für die Standards für Unterkünfte, die Entlohnung und die neuen Möglichkeiten der Erstreckung von im Einsatzstaat geltenden Tarifverträgen. Sie fordert die Bundesregierung zudem auf, den Ländern im Rahmen der Umsetzung die Möglichkeit zur rechtssicheren Erweiterung ihrer landesrechtlichen Tariftreueregelungen zu geben.


„Es wäre mehr als angebracht, wenn sich die Bundesregierung das zu Herzen nehmen würde und auf diesen guten Beschluss aufspringt“, so DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Es kann nicht sein, dass europäischen Errungenschaften der neuen Entsenderichtlinie durch eine unionsrechtswidrige Mogelpackung unterlaufen werden.“


Begrenzung auf bestimmte Entgeltstufen ist richtlinienwidrig
Die neue Entsenderichtlinie sichert zum Beispiel nun ab, dass auch für entsandte Beschäftigte nicht lediglich die unterste Entgeltgruppe, sondern darüber hinaus komplette Tarifgitter festgelegt werden können. Hier ist klar, dass es sich nicht wie vom Gesetzgeber bisher geplant, nur um die untersten drei Entgeltstufen handeln darf.

Eine Begrenzung auf bestimmte Entgeltstufen, unabhängig ob auf drei, fünf oder sieben, ist richtlinienwidrig und auch verfassungsrechtlich bedenklich! Das gesamte Entgeltgitter muss erstreckt werden, denn die Lohndifferenzierungen in Tarifverträgen als integraler Bestandteil der gesamten tariflichen Entgeltordnung müssen auch für nach Deutschland entsandte Beschäftigte Anwendung finden.


Gesetzentwurf muss wegen vieler Lücken dringend nachgebessert werden
Die neue Richtlinie bietet zudem erweiterte Möglichkeiten der Anwendung von Tarifverträgen für Entsandte. Künftig sollten daher unbedingt grundsätzlich alle allgemeinverbindlichen und auch nicht nur bundesweit geltenden Tarifverträge mit ihrem harten Kern der Arbeitsbedingungen Anwendung finden.

Warum ist das in der Tarifpraxis wichtig? Das sei an zwei Beispielen erläutert: Jüngst hat das Land Schleswig-Holstein einen wichtigen Lohntarifvertrag für das Steinmetzhandwerk mit einem vierstufigen Lohngitter in diesem Bundesland für allgemeinverbindlich erklärt. Im Maler- und Lackiererhandwerk gelten die allgemeinverbindlichen Regelungen zum Urlaubskassenverfahren für alle Bundesländer bis auf das Saarland.


Eine für fairen Wettbewerb und angemessene Arbeitsbedingungen der entsandten Beschäftigten notwendige Erstreckung dieser Tarifverträge auch auf Entsendebetriebe wäre jedoch nur möglich, wenn die im Referentenentwurf vorgesehene Begrenzung auf drei Entgeltstufen und das Erfordernis eines bundesweiten Tarifvertrages gestrichen werden.

Es muss darüber hinaus gewährleistet werden, dass künftig neben allgemeinverbindlichen Tarifverträgen auch allgemein wirksame Tarifverträge und die Tarifverträge der repräsentativsten Organisationen Anwendung finden – all dies findet sich im bisher vorliegenden Gesetzentwurf nicht wieder und muss deshalb dringend nachgebessert werden.

Die revidierte Entsenderichtlinie macht noch einmal deutlich, dass die erweiterten Möglichkeiten insbesondere auch im Vergaberecht für die Ermöglichung von Tariftreueklauseln Bedeutung haben und auch diesbezüglich umzusetzen sind.

Finanzkontrolle Schwarzarbeit muss Kompetenzen behalten
Nicht hinnehmbar sind auch die derzeit im Gesetzentwurf vorgesehenen Einschränkungen von Kontrollen und Kompetenzen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Im Gegenteil: Effiziente Kontrollen und abschreckende Sanktionen sind absolut nötig, von der Richtlinie vorgeschrieben und deshalb auszuweiten; auch sind entsprechende technische und personelle Voraussetzungen dafür zu gewährleisten.

Um effizientes behördenübergreifendes Handeln zu ermöglichen, bedarf es zudem entsprechender Unterrichtungspflichten und weiterer Klarstellungen zur Prüfung der A1-Bescheinigung. Schließlich bedarf es auch der Etablierung und Stärkung von Beratungsstrukturen sowie der Unterstützung bei der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen entsandter Beschäftigter durch zum Beispiel durch eine Verstetigung des Projekts Faire Mobilität, aber auch der Einführung eines Verbandsklagerechts.