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Wie geht es weiter mit der Rente

Ein Mann steht auf einem Feld und blickt zum Horizont.
(Foto: Unsplash)
15.07.2024
Rente

Zum 1. Juli 2024 steigen die Renten um 4,57 Prozent – und das erstmals gleichzeitig in Ost und West. 33 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es damit bundesweit nur noch eine Rentenerhöhung. Grundlage für die Rentenerhöhung sind die Lohnerhöhungen im Vorjahr, oftmals erstritten von den Gewerkschaften in Tarifverhandlungen. Das zeigt: Die Rente darf nicht losgelöst von der Tarifpolitik gesehen werden. Denn ohne Gewerkschaften gibt es keine Tarifverträge, keine Lohnerhöhungen und ohne Lohnerhöhungen steigen auch die Renten nicht.

Eine gute Lohnentwicklung ist Grundlage einer guten Beitragsbasis für die gesetzliche Rentenversicherung. Dazu tragen Tarifverträge entscheidend bei. Das Problem: Die Tarifbindung nimmt seit Jahrzehnten ab und außerdem sind je nach Berechnung zwischen 750 000 und drei Millionen Menschen von Mindestlohnbetrug betroffen. Der Sozial- und Rentenversicherung gehen somit wichtige Beiträge durch die Lappen. Ein stabiles Tarifvertragssystem liegt auch in der Verantwortung der Unternehmen, die von den staatlichen
Unterstützungen in Krisenzeiten profitiert haben. Ebenso sind Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht, Aufträge nur an tarifgebundene Unternehmen zu vergeben.

Rentenniveau stabilisiert

Übrigens: Rentenkürzungen sind gesetzlich ausgeschlossen. Ebenfalls gesetzlich ausgeschlossen ist das Absinken des
Rentenniveaus unter 48 Prozent, vorerst bis zum Jahr 2025. Das Rentenniveau bezeichnet das Verhältnis der Standardrente (die sich aus 45 Jahren Beitragszahlung mit einem Durchschnittseinkommen ergibt) zum Durchschnittseinkommen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge (vor Steuern). Oder einfacher gesagt: Ein*e Rentner*in mit Standardrente erhält 48 Prozent des Nettodurchschnittslohnes. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die IG BAU meinen: Notwendig ist die Stabilisierung über 2025 hinaus und eine Anhebung auf mindestens 50 Prozent. Denn selbst mit der Rentenerhöhung zum 1. Juli 2024 haben viele Rentner*innen immer noch weniger Kaufkraft als in der Zeit vor der starken Inflation, wie der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, kürzlich zu Protokoll gab.

Neue Pläne im Rentenpaket II

Der kürzlich vorgestellte Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Rentenpaket II sieht nun die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2039 vor. Ein erster Etappensieg. Mit der Forderung nach einer Stabilisierung des Rentenniveaus konnten sich die Gewerkschaften bereits im Vorfeld durchsetzen. Neue Pläne gibt es auch zur Finanzierung der Beiträge. Immer mehr Menschen beziehen Rente, die Zahl der Beitragszahler*innen steigt jedoch weniger stark. Geplant ist deshalb ein sogenanntes "Generationenkapital". Der Plan sieht im ersten Schritt ein Darlehen in Höhe von 12 Milliarden Euro des Bundes vor, welches am Kapitalmarkt investiert wird. Die Gewinne werden dabei wieder investiert und erst ab dem Jahr 2036 an die gesetzliche Rentenversicherung zur Stabilisierung der Rentenversicherungsbeiträge ausgezahlt. Nach der Vorstellung des Gesetzentwurfes wurden Sozialverbände, Gewerkschaften und Institute um eine Stellungnahme* gebeten. Für den DGB und die IG BAU war dabei entscheidend, dass hier keine Gelder aus der eigentlichen Rentenversicherung einfließen. Weiterhin gilt: Das Rentenniveau muss unabhängig von Schwankungen am Aktienmarkt stabil bleiben. Am 29. Mai dieses Jahres wurde der Vorschlag im Bundeskabinett beschlossen. Nach dem Kabinettsbeschluss werden die Pläne im Bundestag beraten, bevor sich der Bundesrat damit befassen kann. Dazu soll es möglichst bald kommen. Das Bundeskanzleramt hatte die Länder um Fristverkürzung gebeten, sodass die Reform bereits am 5. Juli im Bundesrat auf der Tagesordnung steht.

Text: Tobias Wark
Der Artikel ist erstmals in der Sommer-Ausgabe des Grundstein erschienen.

*Die ausführliche Stellungnahme des DGB