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Arbeitszeit: Weniger ist manchmal mehr

Magdalena, 25 Jahre, lebt in Duisburg, ist ausgebildete Friedhofsgärtnerin - und arbeitet Teilzeit

menschen uhren
© Pixabay
14.09.2019
Azubis & junge Beschäftigte

Im Herbst 2018 veröffentlichte die IG BAU Rheinland die Ergebnisse einer Trendumfrage, bei der 1.194 Beschäftigte aus den Branchen der IG BAU zu ihrer Arbeitszeit befragt wurden. Die Befragung ergab beispielsweise, dass Arbeitnehmer*innen, die in Vollzeit beschäftigt sind, durchschnittlich 4,8 Stunden über der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit arbeiten. Dies steht dem Wunsch der Beschäftigten gegenüber, nur 37 Stunden in der Woche zu arbeiten.

Von Nachtarbeit, Arbeit am Wochenende und Schichtarbeit sind viele Arbeitnehmer*innen betroffen, nur neun Prozent haben tatsächlich die Wochenenden frei.

Wir haben ein Interview mit Magdalena geführt, einer Kollegin aus Duisburg, die in ihrem Fachbereich und der Jugendarbeit aktiv ist und sich entschieden hat, eine Teilzeitbeschäftigung auszuüben.

Magdalena ist 25 Jahre alt, lebt in Duisburg und hat dort 2017 ihre 3-jährige Ausbildung zur Friedhofsgärtnerin abgeschlossen. 

 

Hallo Magdalena, vielen Dank, dass du dich bereit erklärt hast, ein Interview zu geben. Erzähl doch bitte ein bisschen über dich.
Nach meiner Ausbildung habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, meinen Beruf in Teilzeit auszuüben. Dies war mir wichtig, um Zeit und Energie für Dinge zu haben, die nicht mit Geld bezahlt werden (können). Schließlich habe ich eine Gärtnerei gefunden, in der ich an drei fest vereinbarten Wochentagen arbeiten kann. Damit fühle ich mich sehr viel besser als während der Vollzeitausbildung. Es ist Glück gewesen, dass ich diese Stelle gefunden habe, denn in meinem Beruf ist Teilzeit nicht die Regel.

Durch die Teilzeitbeschäftigung kann ich beispielsweise dort, wo ich wohne Stadtteilarbeit machen. Ich arbeite ehrenamtlich in einem Stadtteil- und Projektladen mit, den es dort seit ein paar Jahren gibt.

 

Welche Themen sind bei euch in dem Stadtteilprojekt präsent?
Der Stadtteilladen wurde eröffnet, weil es in Duisburg schon länger kein soziokulturelles und selbstorganisiertes Zentrum gibt. Der Trägerverein Mustermensch e. V. hat schließlich die Möglichkeit gesehen, wenigstens ein Ladenlokal anzumieten: als Treffpunkt, der als Nachbarschaftscafé offensteht und die Möglichkeit bietet, kulturelle wie auch politische Veranstaltungen durchzuführen. Unser Anliegen ist es, einen Ort zu schaffen, an dem die Menschen zusammenkommen und einen Ausgleich zum Alltag finden, ohne irgendetwas konsumieren zu müssen, sowie gegenseitige Hilfe organisieren können.

Dementsprechend nutzen das Syntopia verschiedene lokale Initiativen und Vereine, sowohl für interne als auch öffentliche Treffen.

Im Ladenraum gibt es auch ein Umsonstregal; ein niederschwelliges Angebot, das auch ohne verbale Kommunikation funktioniert – ebenso wie die sogenannte „Lebensmittelrettung“:

Eine Gruppe von Leuten hat für über ein Jahr Kontakt zu den Marktstandbetreiber*innen vom nahen Wochenmarkt gehalten, und jeden Samstag am Ende der Marktzeit übriggebliebenes Obst und Gemüse umsonst dort abholen können, um es im Syntopia ebenfalls kostenfrei anzubieten. Auch kostenfreie, wöchentlich stattfindende Hausaufgabenbetreuung haben wir bereits zeitweise organisieren können, und aktuell läuft dieses Projekt wieder neu an.

 

Du bist zudem in der IG BAU aktiv. Was machst du da?
Ich war zeitweise im Bundesjugendausschuss, aber leider gibt es in meinem Bezirk keine anderen jungen Leute, aus deren Versammlung jemand in diese Bundesebene delegiert werden könnte. Da wir gerade mehr auf Regionsebene aktiv sind und aus dem gesamten Rheinland zusammenkommen, orientiere ich mich grade dorthin. Ich freue mich, wenn weitere Menschen zu uns stoßen und entdecken, was wir gemeinsam Konstruktives tun können.

Meinem Beruf entsprechend sitze ich für die Junge BAU in der Bundesfachgruppenkonferenz des sog „Grünen Bereich“ bestehend aus Landwirtschaft, Gartenbau und Floristik. Ich finde es sehr wichtig, dass der Austausch durch interne Vernetzung branchenübergreifend funktioniert und gegenseitige Unterstützung stattfindet.

 

Welche Themen sind bei euch in der Fachgruppe aktuell?
Derzeit ist im grünen Bereich das Thema "Arbeitszeitverkürzung" besonders stark im Fokus, jedoch ist es nicht leicht das in Tarifverträgen umzusetzen. Das hat vor zwei Jahren in der Landwirtschaft wieder nicht funktioniert: die 40-Stundenwoche dort wird einfach nicht verkürzt, und im Gartenbau sind es mit 39 Stunden nur eine weniger. Die Chefinnen und Chefs sind sehr interessiert daran, an den aktuellen Regelungen festzuhalten. Dabei ist, aktuellen Studien zufolge, Menschen mehrheitlich weniger Arbeitszeit sogar wichtiger als mehr Geld pro Stunde zu bekommen.

 

Meinst du dein vieles Engagement wäre überhaupt möglich mit einer regulären Vollzeitwoche?
Nein, absolut nicht. Was alleine die 5-Tage-Woche bedeutet, habe ich erlebt, als ich in meiner Ausbildungszeit versuchte, weiter politisch aktiv zu sein: Ich konnte merken, wie ich an meine Grenzen gestoßen bin; das hat nur begrenzt funktioniert. Meine Ausbildung wollte ich schließlich machen, aber mir wurde klar, dass ich auf Dauer nicht so viel meiner Zeit und Energie verkaufen möchte, weil andere Dinge außerhalb der Lohnarbeit zu wichtig sind – von den Menschen wie Mitbewohner*innen, Familie und Freund*innen ganz zu schweigen.

 

Merkst du einen gesundheitlichen Unterschied von Voll- und Teilzeit?
Selbstverständlich. Ich lebe viel ausgeglichener dadurch, dass mich beispielsweise die obligatorisch einseitigen Arbeitsbelastungen längst nicht so massiv treffen.

Feste Arbeitszeiten sind zudem ein sehr wichtiger Faktor, um die eigene Zeit voll ausnutzen, um besonders mit anderen, aber auch für sich mal was planen zu können. An einen festen Rhythmus kann man sich gewöhnen, was bessere Erholung ermöglicht.

 

Du hast ja eben selber gesagt, dass es gar nicht für jeden möglich ist, seine Arbeitszeit so zu reduzieren wie du das gemacht hast. Könnte es sein, dass es bei manchen Menschen - beispielsweise bei alleinerziehenden Müttern - aus finanziellen Gründen gar nicht möglich ist, die Arbeitszeit so runter zu fahren?
Natürlich! Ich kann mir das unter den gegeben Umständen nur erlauben, weil von meinem Einkommen keine Familie leben muss und ich in meiner WG sehr günstig wohne.

Dabei ist es für jeden nicht grundsätzlich unmöglich, so wenig zu arbeiten.

Mit seinem Buch „5 Stunden sind genug“ arbeitete der Autor Darwin Dante Anfang der 1990er Jahre mithilfe der damals aktuellen Daten heraus, wieviel der tatsächlich geleisteten Wochenarbeitszeit von jedem geleistet werden müsste, wenn die Arbeit auf alle verteilt wird, die sie leisten können. Im Buch sind alle von ihm verwendeten Zahlen aus dem statistischen Jahrbuch der Bundesrepublik 1988 angehängt. Das heißt, man kann seine Berechnungen nachvollziehen und mit den aktuellen Statistiken vergleichen. Weil die Produktivität seitdem gestiegen ist, müssen wir uns die Arbeitszeit von fünf Stunden in der Woche eindeutig perspektivisch vornehmen. Aber davon scheinen wir nach der aktuellen Tarifverhandlungs-Agenda noch Lichtjahre entfernt.

 

Wenn du Menschen etwas auf den Weg geben möchtest zum Thema Arbeitszeit. Was wäre das?
Der Wert der eigenen Arbeit ist nicht zu unterschätzen. Deshalb gibt es von der Chefseite ja auch das Drängen, dass wir ihnen davon so viel liefern.

Wir leben nicht nur von Luft und Liebe, sondern wir haben auch materielle Bedürfnisse, für deren Befriedigung wir auf die materielle Lebensgrundlage angewiesen sind. Dafür sind wir als Lohnabhängige im Kapitalismus gezwungen, unsere Arbeitskraft zu verkaufen.

Dabei müssen wir uns vor Augen führen, dass erdrückend lange Arbeitszeiten nicht das eigene Problem sind, das wir jeweils individuell lösen müssten – und können!

 

Welche weiteren Möglichkeiten siehst du auf gewerkschaftlicher Seite die Situation zu verbessern?
Beim Thema "Arbeitszeit" sollten wir mit viel höheren Forderungen in die Tarifverhandlungen gehen. Ich meine, es wäre ja bereits ein Anfang, wenn ab morgen 20 Stunden als Vollzeit angesehen werden würden. Außer der eben vorgestellten gibt es noch andere Untersuchungen, die zeigen, dass es allen „Mitgliedern“ unserer Gesellschaft zusammen möglich wäre, in genau der Zeit alles zu erledigen, was für unser aller Leben erforderlich ist.

Ebenso ist Sensibilität wichtig, wenn die Forderung nach anderen Arbeitszeiten kommt, denn diese bestimmen unsere Leben maßgeblich. Gerade dort, wo keine Tarifverträge greifen, gilt es, die Kolleg*innen direkt bei der organisierten Durchsetzung ihrer Forderungen zu unterstützen.

 

Möchtest du uns sonst noch etwas mitgeben?
Bei der Regulierung der Arbeitszeit geht es um die organisierte freie Zeit in der Gesellschaft. Früher war es z. B. verbreiteter, dass Menschen unabgesprochen gleichzeitig am Wochenende frei hatten. Wenn man außerhalb der Arbeit etwas mit anderen Menschen machen möchte, ist es wichtig, dass es kollektive Freiräume gibt – ganz im Gegensatz zur um sich greifenden Schichtarbeit, wo sowohl tagsüber als auch nachts und an Feiertagen „ganz normal“ gearbeitet wird. Da gibt es für die Schichtarbeiter*innen wie auch ihre Freund*innen und Familien immer weniger Möglichkeiten, unkompliziert zusammen zu kommen.

Hier sehe ich Gewerkschaften in der Verantwortung: Arbeitszeiten, die einen tatsächlichen Ausgleich ermöglichen und Zeit für Familie, Freund*innen und gesellschaftliches Engagement schaffen, sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht in der privaten Verantwortung des*der Einzelnen.

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Das Interview führten Antonia Rabente, Jugendbildungsreferentin der IG BAU Rheinland und Ali Candemir, Gewerkschaftssekretär für die Bauwirtschaft des Bezirksvorstandes Köln-Bonn. Die Ergebnisse zur Befragung zur Arbeitszeit erhältst du bei Antonia Rabente: [Bitte aktivieren Sie Javascript] oder 0151 26002892.