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Corona und Kinderbetreuung: Gibt es Entschädigung oder Freistellung für Eltern?

Kinder
(Foto: Jessica Lewis / Unsplash)
08.01.2021
Arbeit

Viele Eltern fragen sich derzeit: "Wie steht es um meine Arbeit und meinen Lohn, wenn aufgrund der Corona-Pandemie der Kindergarten oder die Schule meines Kindes geschlossen hat und ich nicht arbeiten kann?" Gibt es Entschädigung für einen Verdienstausfall? Wie sieht es mit Freistellung aus? Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat Antworten zu den aktuellen Regelungen.

Hinweis:

Die Beschlüsse der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 5. Januar 2021 zum Kinderkrankengeld sind hier noch nicht berücksichtigt. Erste Informationen zu den Plänen für die neuen Regelungen zum Kinderkrankengeld findet Ihr beim DGB.

10 Fragen und Antworten rund um den Ausgleich des Verdienstausfalls bei notwendiger Betreuung aufgrund behördlich angeordneter Kita- oder Schulschließung

1. Für wen gibt es die Entschädigung?

Die Regelung gilt für erwerbstätige Sorgeberechtigte, also in der Regel Eltern oder Pflegeeltern, die einen Verdienstausfall erleiden, weil sie ihre Kinder aufgrund der behördlich angeordneten Schließung von Betreuungseinrichtungen und Schulen oder verordneter Absonderung (Quarantäne bei ansteckungsverdächtigen Kindern, Isolation bei nachweislich Corona-erkrankten Kindern) selbst betreuen müssen und keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit haben.

2. Ab wann gilt diese Regelung?

Die Regelung gilt seit dem 30. März 2020 und bleibt bis 31. März 2021 in Kraft.

3. Gilt es diese Regelung für Eltern von Kindern in jedem Alter?

Leider nein. Das Recht auf Verdienstausfallentschädigung gilt nur, wenn das zu betreuende Kind jünger als zwölf Jahre ist. Bei mehreren Kindern wird auf das Alter des jüngsten Kind abzustellen sein. Ausnahmen gelten nur für Kinder mit Behinderung, die auf Hilfe angewiesen sind. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat diese viel zu niedrig gesetzte Grenze kritisiert und eine Anhebung der Altersgrenze auf mindestens 14 Jahre, eher 16 Jahre gefordert.

4. Welcher Betrag wird gezahlt und wie lange?

Die Höhe der Entschädigung beträgt 67 Prozent des Netto-Verdienstausfalls; für einen vollen Monat wird jedoch höchstens ein Betrag von 2.016 Euro gewährt, selbst wenn dieser Betrag unterhalb der 67 Prozent-Grenze liegt. Gezahlt wird die Entschädigung für längstens 10 Wochen. Ausdrücklich klargestellt wurde (mit dem Gesetz vom 27. Mai), dass die Entschädigung auch tageweise beantragt und somit über mehrere Monate "gestreckt" werden kann. Eine stundenweise Beantragung soll dagegen ausgeschlossen sein.

Der DGB hat die Höhe der Entschädigung, die für die meisten Eltern einen unzumutbaren Einschnitt in ihre finanzielle Situation bedeutet, scharf kritisiert und eine deutliche Anhebung auf mindestens 80 Prozent des Verdienstausfalls gefordert.

5. Das Recht auf Entschädigung sollen nur diejenigen erhalten, die keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit haben. Was ist damit gemeint?

Der Kreis der Personen, die aufgrund anderweitiger zumutbarer Betreuungsmöglichkeiten von dem Recht auf Entschädigung ausgeschlossen sind, ist leider weit gefasst. Dazu zählen nicht nur Personen, die eine sogenannte Notbetreuung in der Kindertagesstätte oder der Schule in Anspruch nehmen können oder wo der andere Elternteil die Betreuung sicherstellen kann. Vielmehr sollen laut der Gesetzesbegründung Eltern, die die Entschädigungszahlung beantragen wollen, gegenüber dem*der Arbeitgeber*in und der Behörde belegen, dass sie keine Möglichkeit haben, für die Betreuung auf Familienmitglieder oder Freunde zurückzugreifen. Personen, die den Risikogruppen angehören – also etwas Großeltern - sind hieraus ausgenommen, sie gelten nicht als "zumutbare Betreuung". Wir gehen aber nicht davon aus, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Behörde und dem*der Arbeitgeber*in gegenüber Auskünfte über die Zusammensetzung ihres Freundes- und Verwandtenkreises liefern müssen, um das Recht auf Entschädigung zu realisieren – das Recht auf Schutz der Privatsphäre gilt auch in der aktuellen Krisensituation. Zudem kann angesichts der aktuellen Kontaktsperre von niemanden erwartet werden, dass er oder sie Betreuung für Kinder außerhalb seines Haushalts übernimmt oder die Kinder in Obhut einer Person außerhalb des Haushalts gegeben werden müssen. Die gesetzliche Vorgabe kann daher nur so verstanden werden, dass sich die Information über andere zumutbare Betreuungsmöglichkeiten auf den Kreis der Personen beschränkt, die mit dem Elternteil und dem Kind in einem Haushalt leben.

Kein Recht auf Entschädigung haben diejenigen Beschäftigten, denen Arbeit von Zuhause durch den*die Arbeitgeber*in ermöglicht wird, soweit ihnen die "Nutzung des ortsflexiblen Arbeitens" (so die Gesetzesbegründung) zumutbar ist. Bei Kindern im Kita- und Grundschulalter kann in der Regel wohl kaum davon die Rede sein, dass sich Arbeit von Zuhause und gleichzeitige Kinderbetreuung vereinbaren lassen.

So ist diese Ansicht in der juristischen Literatur auf breite Ablehnung gestoßen und wird für realitätsfremd gehalten. Arbeitnehmer*innen, die jüngere Kinder betreuen müssen, muss es daher möglich sein, die Homeoffice - Arbeit als unzumutbar zu verweigern (§ 275 Abs. 3 BGB). Dadurch verlieren sie zwar das Recht auf ihre Arbeitsvergütung (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB), können aber stattdessen das Recht auf Entschädigung in Anspruch nehmen. Droht deswegen ein Konflikt mit dem*der Arbeitgeber*in, ist vorab eine rechtliche Beratung – für Gewerkschaftsmitglieder bei ihrer Gewerkschaft – zu empfehlen.

Sorgeberechtigten, die in Kurzarbeit sind, haben kein Recht auf Entschädigung, in dem Umfang, in dem ihre Arbeitszeit kurzarbeitsbedingt reduziert wurde.

6. Gibt es noch weitere Einschränkungen bei der Beantragung der Entschädigungszahlung?

Ja. Das Recht auf Entschädigung soll erst dann greifen, wenn Beschäftigte ihre an-derweitigen Möglichkeiten der Freistellung "gegen Zahlung einer dem Entgelt entsprechenden Geldleistung" abgebaut haben. Was kompliziert klingt, meint in erster Linie die auf dem Arbeitszeitkonto angesparten Zeitguthaben und den zustehenden Erholungsurlaub.

7. Bedeutet das, ich müsste erst meinen gesamten Urlaub aufbrauchen, bevor ich Anspruch auf die Entschädigungszahlung hätte?

Aufgrund der gewählten Gesetzesformulierung bestand die Befürchtung, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur ihre Zeitguthaben, sondern auch ihren laufenden Erholungsurlaub einsetzen müssen, bevor sie die neue Verdienstausfallentschädigung nach Infektionsschutzgesetz geltend machen können. Dem ist nicht so, denn Erholungsurlaub dient der Erholung und ist kein Notfall-Instrument.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erläutert dazu Folgendes: Die Pflicht, den Erholungsurlaub vorab aufzubrauchen, beschränkt sich auf den Urlaub aus dem Vorjahr sowie den bereits vorab verplanten, genehmigten Urlaub, der sowieso während des Zeitraums der Kita- der Schulschließung genommen werden sollte. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können dagegen nicht verpflichtet werden, ihren gesamten Jahresurlaub für das laufende Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen, bevor sie den Entschädigungsanspruch geltend machen können. Von daher muss der Jahresurlaub 2021, soweit er nicht bereits genehmigt worden ist, auch nicht eingebracht werden, bevor der bzw. die Beschäftigte die Entschädigungszahlung beanspruchen kann.

BMAS: Vorrang des Urlaubsanspruches (PDF, 80 kB)

Informationen des Bundesarbeitsministeriums zum geplanten Entschädigungsanspruch im Fall von Kita- oder Schulschließungen im Infektionsschutzgesetz.

8. Gilt das Recht auf Entschädigung nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder auch für Selbständige?

Das Gesetz spricht von "erwerbstätigen Sorgeberechtigten". Es ist also nicht nur auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt, sondern umfasst alle Formen der Erwerbstätigkeit.

9. Wie beantrage ich die Entschädigungszahlung?

Für die Entgegennahme und Abwicklung der Anträge sind die Behörden der Länder zuständig; das können Landesgesundheitsbehörden, die ihnen nachgeordneten Behörden oder aber auch andere Stellen sein. Bei Arbeitnehmer*innen hat der*die Arbeitgeber*in für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens jedoch für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem*der Arbeitgeber*in auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet (§ 56 Abs. 5 IfSG).

Über das Onlineportal "Entschädigung nach Infektionsschutzgesetz" – in dem sich 11 der insgesamt 16 Bundesländern zusammengeschlossen haben – können Sie sich über die Anforderungen informieren, die Sie bei der Beantragung der Entschädigung beachten müssen. Der Antrag kann über dieses Portal online gestellt werden:

Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (ifsg-online.de)

Wenn Sie in Berlin, Hamburg, Bayern, Thüringen und Sachsen arbeiten, finden Sie die Informationen und Antragsformulare auf den Websites der Länder:

10. Was gilt während bevorstehender Schulferien?

Das Recht auf Entschädigung entfällt "soweit eine Schließung ohnehin während der durch Landesrecht festgelegten Schulferien erfolgen würde". Das ist dann der Fall, wenn die Schulen wegen von vornherein festgelegter Schulferien, die Kindertagesstätten wegen von vornherein festgelegter Betriebsferien geschlossen sind. Das gilt aber nicht, wenn pandemiebedingt die Ferien abweichend von der vorherigen Festlegung "verlängert" werden. Die Gesetzesformulierung spricht für eine bewusste Unterscheidung zwischen Schulferien und sonstigen Zeiten von Schließungen. In der Tat sind Schulferien deutlich länger als die derzeit behördlich angeordneten Schließungen. Manche Kitas haben gar keine festen Zeiten, zu denen sie geschlossen sind, viele Schulen schließen nur über die Weihnachts- und Neujahreszeit sowie einen Teil der Sommerferien. Das bedeutet im Umkehrschluss: Erfolgt während der Schulferien keine seitens der Kita oder der Schule veranlasste Schließung, kann die Entschädigung in Anspruch genommen werden, wenn der beziehungsweise die Beschäftigte durch die fehlende Betreuungsmöglichkeit ihrer Arbeit nicht nachgehen kann.

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