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DGB: Armut wirksamer bekämpfen – jetzt!

Armut Schuhe
(Foto: Gia Oris/Pixabay)
16.08.2021
Arbeit

Trotz starker Wirtschaft ist das Armutsrisiko vieler Menschen bereits vor der Coronakrise deutlich gestiegen. Die Politik muss endlich aktiv werden, um Menschen vor Armut zu schützen. Es braucht mehr Tarifbindung, eine Kindergrundsicherung für einkommensarme Familien und die einmalige Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf mindestens 12 Euro, fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB).

"Im reichen Deutschland nimmt das Armutsrisiko vieler Menschen zu, obwohl Wirtschaft und Arbeitsmarkt zumindest bis vor Corona gebrummt haben", kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Die Ergebnisse einer DGB-Analyse seien ein deutliches Zeichen, dass andere politische Leitplanken gebraucht werden. "Mit Corona hat sich die Situation vielfach weiter zugespitzt, denn insbesondere Geringverdiener wurden und werden weiterhin durch die wirtschaftlichen Einschränkungen belastet. Ihre Einkommen sind durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit deutlich geschrumpft."

Politik muss Armut bekämpfen

Piel fordert: "Der Gesetzgeber muss also deutlich mehr tun, um Tarifbindung zu stärken, um den gesetzlichen Mindestlohn einmalig im Niveau auf mindestens 12 Euro anzuheben." Anschließend sollten weitere Erhöhungsschritte weiterhin in der Mindestlohnkommission behandelt werden. Zudem brauch es eine Kindergrundsicherung für einkommensarme Familien.

DGB-Analyse: Armutsrisiko bereits vor Corona auf höchstem Stand

Eine Analyse des DGB fast die zentralen Befunde zusammen. Das Armutsrisiko ist demnach im langfristigen Vergleich gestiegen. In 2005 waren 14,7 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet – das heißt, sie hatten weniger als 60 Prozent des mittleren monatlichen Einkommens zur Verfügung. In 2019 waren es schon 15,9 Prozent der Bevölkerung.

  • Das Armutsrisiko in Deutschland ist 2019 auf dem bislang höchsten Stand – und das bei einer insgesamt guten Lage am Arbeitsmarkt. Hier stellt sich die Frage, wie solch eine konträre Entwicklung möglich ist.
  • Besonders betroffen von Armut sind unter anderen Arbeitslose, Alleinerziehende und kinderreiche Familien. Besonders stark zugenommen hat im Langzeitvergleich das Armutsrisiko unter anderen von Arbeitslosen, von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen sowie die Altersarmut.
  • Auch die Kinderarmut und die Armut von Erwerbstätigen sind auf einem Rekordstand. Zwar liegt das Armutsrisiko von Erwerbstätigen immer noch deutlich niedriger als das von Arbeitslosen – allerdings hat die Zunahme von Niedriglöhnen dazu geführt, dass die Absicherung von Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und Erwerbsminderung oftmals nicht mehr armutsfest ist.
  • Während viele Personengruppen zunehmend von Armut betroffen sind, hat sich am anderen Ende der Skala der Reichtum vermehrt. Die Zahl der Vermögen über 500 000 Euro und der Einkommensmillionäre ist im Langzeitvergleich deutlich gestiegen.
  • Insbesondere nach der Einführung von Hartz IV – und der damit verbundenen weiteren Deregulierung des Arbeitsmarktes durch eine schlechtere Absicherung bei Arbeitslosigkeit und der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse und des Niedriglohnbereichs – ist die Ungleichheit bei den Einkommen in Deutschland deutlich gestiegen.
  • Der 6. Armuts und Reichtumsbericht der Bundesregierung aus dem Frühjahr dieses Jahres bleibt bei der Darstellung und Analyse der Armutsproblematik fragmentarisch – teilweise wird die Situation zu positiv dargestellt. Es ist klar, dass das zunehmende Armutsrisiko nicht erfreulich ist, aber gerade deshalb gilt es, die Probleme zu benennen, die Ursachen zu erforschen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
  • Der DGB setzt sich dafür ein, dass Armut wirkungsvoller bekämpft wird. Armut bedeutet nicht nur materielle Not, sie zieht auch einen Rattenschwanz an mangelnder sozialer Teilhabe, einer gefährdeten Gesundheit und schlechten Bildungschancen nach sich. Sie befeuert eine gespaltene Gesellschaft und gefährdet die Demokratie.

Armutsrisiko Niedriglohn

Eine wichtige Ursache für die Armutsrisiken vieler Menschen liegt im zu geringen Niveau der unteren Einkommen. Jede*r vierte bis fünfte Beschäftigte arbeitet für einen Niedriglohn. "Dies hatte und hat zur Folge, dass im normalen Alltag und besonders in schwierigen Zeiten, immer mehr Personengruppen von Armut bedroht sind", stellt Piel fest. Arbeitslosigkeit, eine längere Krankheit, Erwerbsminderung oder einfach die Tatsache, dass eine Familie viele Kinder hat, könnten dann sehr schnell zu schlimmer Not führen. "Armut muss wirksamer bekämpft werden."

Ausführlich gibt es das Thema auf der Website des DGB.