David Menke
(Foto: privat)
18.11.2021
Bildung / Mitbestimmung

Dies ist die erste Folge einer Serie von Artikeln, in denen wir über die Gründung und die Wahlen von Betriebsräten in verschiedenen Firmen berichten. Ihr erhaltet wertvolle Tipps und Informationen aus erster Hand von den Kolleginnen und Kollegen, die sich dieser wichtigen Aufgabe in ihrem Betrieb gestellt haben.

Im Sommer 2020 kursierten die ersten Gerüchte bei Holzbau Brüggemann, einem Holzbauunternehmen mit rund 170 Beschäftigten in Neuenkirchen im Münsterland. Auf einer Versammlung verkündete der Chef, das 1957 gegründete Familienunternehmen wolle expandieren und werde sich zum Januar 2021 mit dem Baustoffriesen Saint-Gobain als "strategischem Partner" verbinden.

Fragen rund um die Betriebsratswahl?
  • Wenn Ihr in Eurem Unternehmen einen Betriebsrat gründen wollt, wendet Euch am besten direkt an Euren zuständigen Gewerkschaftssekretär oder an Euer IG BAU-Mitgliederbüro vor Ort.

"Was genau das bedeutet, war erstmal unklar", erzählt David Menke. Der gelernte Tischler hat vor neun Jahren im Holz- und Plattenzuschnitt bei der Firma angefangen. Schließlich stellte sich heraus, dass 80 Prozent der Firmenanteile veräußert wurden. Ein Schock für die Beschäftigten: "Der hat uns verkauft", bringt David das damalige Gefühl in der Belegschaft auf den Punkt. "Wir haben uns natürlich gefragt, was das für uns, für unsere Jobs bedeutet." Für ihn war klar: Wir wollen mitbestimmen – ein Betriebsrat muss her! David machte Nägel mit Köpfen. Als erstes nahm er Kontakt mit dem zuständigen Gewerkschaftssekretär bei der IG BAU auf, um sich informieren zu lassen, wie nun vorzugehen sei. "Anfangs waren wir alle noch sehr zurückhaltend und hatten Respekt vor der Reaktion unseres Chefs. Viele wollten da nichts mit zu tun haben", erinnert er sich. Aber gemeinsam mit ein paar Kollegen nahm David die Sache in die Hand. "Zuerst waren wir so vier, fünf Leute. Aber jeder hat ein paar andere angesprochen, da wurde getuschelt und geplant."

Im Herbst waren es schon über 20 Kolleg*innen, die sich in einem alten Schützenhaus zu einem ersten Treffen mit dem Gewerkschaftssekretär zusammenfanden. "Da ist die IG BAU für uns in Vorleistung gegangen, erst danach sind wir alle Mitglied geworden", hebt David hervor. Die Beteiligten tauschten sich in Videokonferenzen regelmäßig über ihr Vorgehen aus und verbreiteten ihr Vorhaben in der Belegschaft, auch zum Chef sickerte es durch. Zu einer Informationsveranstaltung mit ihrem Gewerkschaftssekretär – coronakonform beim Amt angemeldet und in der Partyscheune eines Kollegen mit Hygienekonzept durchgeführt – kamen schon über 100 Beschäftigte. "Dort stellten wir auch klar, dass die IG BAU uns bei der Betriebsratsgründung unterstützt, und wir deshalb organisiert sein müssen", erläutert David. "Es war einiges an Überzeugungsarbeit nötig, aber wir konnten innerhalb von drei Monaten rund 80 Mitglieder gewinnen. Unser Organisationsgrad liegt jetzt über 50 Prozent!"

Eine pfiffige Idee

Ein Versuch des Chefs, selbst eine "Interessenvertretung der Mitarbeiter" mit ausgewählten Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen ins Leben zu rufen, verlief ins Leere. Die Geschäftsführerin, die zum Jahresbeginn 2021 anfing, war die neue Ansprechpartnerin für die Betriebsratsgründer. Sie nahmen Kontakt mit ihr auf, und ihre Teilnahme an einer der Videokonferenzen der Aktiven war sogar ihr erster direkter Kontakt mit den Beschäftigten des Betriebs. Die nächste Herausforderung war, den Wahlvorstand für die Betriebsratswahl zu bestellen. Im März 2021 war eine dafür notwendige Betriebsversammlung wegen der Corona-Auflagen unmöglich. In enger Abstimmung zwischen den Aktiven im Betrieb, ihrem Gewerkschaftssekretär und dem Fachreferenten im Bundesvorstand der IG BAU wurde eine pfiffige Idee geboren: Die Initiatoren beantragten schriftlich bei ihrem Chef, ihnen einen Raum für die Betriebsversammlung zur Verfügung zu stellen, was dieser – abgesprochen – ablehnte. So hatten sie einen Grund, die Bestellung des Betriebsrats beim zuständigen Arbeitsgericht zu beantragen. Dann brauchte es einige Anläufe, bis dort Ende Juli ein Termin gemeinsam mit der Geschäftsführerin stattfinden konnte. Aber seitdem ist David Teil des dreiköpfigen Wahlvorstands. Anfang September nahmen die drei an einer Schulung zum Wahlvorstand teil, nun sind sie mitten in den Vorbereitungen. Bis Ende November wollen sie die Wahl über die Bühne gebracht haben: "Vor Weihnachten haben wir einen Betriebsrat bei Holzbau Brüggemann", dessen ist sich David sicher. Und wird sich und seinen Kolleginnen und Kollegen damit vielleicht das schönste Weihnachtsgeschenk machen.

Text: Cordula Binder