Spargelernte
(Foto: Matthias Boeckel / Pixabay)
25.05.2022
Forst- und Agrarwirtschaft

Der Frühling hat nicht nur wärmere Temperaturen im Gepäck, sondern auch Lebensmittel auf die sich viele schon lange freuen – beispielsweise Erdbeeren oder Spargel. Damit diese im Einkaufskorb landen können, ist die deutsche Landwirtschaft auf Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Doch nicht immer werden diese wie willkommene Gäste behandelt.

Etwa 250 000 meist ost- und südosteuropäische Frauen und Männer leisten Jahr für Jahr körperliche Schwerstarbeit auf den Feldern: als sogenannte kurzfristig Beschäftigte. Obwohl sie unsere Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen, sind ihre Lohn- und Arbeitsbedingungen vielfach miserabel. Bezahlt werden muss der gesetzliche Mindestlohn von 9,82 Euro die Stunde – soweit die Theorie. Die Praxis sieht oft anders aus, vielfach wird dieser unterlaufen – durch intransparente Abrechnungen und Akkordregelungen, überhöhte Abzüge für Unterkunft, Transport und Verpflegung und unbezahlte Mehrarbeit.

Zu allem Überfluss sind die Beschäftigten nicht sozialversichert und oft – wenn überhaupt – unzureichend krankenversichert. Die kurzfristige Beschäftigung ist auf drei Monate oder 70 Tage im Kalenderjahr im Voraus begrenzt. Sie darf nicht berufsmäßig ausgeübt werden. Betriebe und Saisonarbeitskräfte müssen dann keine Beiträge zur Sozialversicherung bezahlen. Allerdings müssen Arbeitgeber*innen bei der Anmeldung einer kurzfristigen Beschäftigung seit diesem Jahr angeben, ob die Saisonarbeitskraft gesetzlich oder privat versichert ist.

In ihren Jahresberichten dokumentiert die Initiative Faire Landarbeit, ein Bündnis von gewerkschaftsnahen Beratungsstellen, wie dem Beratungsnetzwerk "Gute Arbeit" von Arbeit und Leben, Faire Mobilität und dem Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen, der IG BAU sowie weiteren Organisationen, ihre Erfahrungen bei Informationsbesuchen in Betrieben. Insgesamt 44 Mal rückten die Mitarbeiter*innen der Initiative im vergangenen Jahr raus aufs Feld und informierten rund 2500 Saisonarbeiter*innen über ihre Rechte. Die Mehrzahl der Beschäftigten kam aus Rumänien, darüber hinaus wurden Menschen aus Polen, Kroatien, der Ukraine, Georgien und Bulgarien erreicht. Auffällig in dieser Saison war, dass die Initiative deutlich stärker bei ihren Aktionen durch die Arbeitgeber*innen behindert wurde als in den Vorjahren. Dennoch kamen sie mit den Betroffenen ins Gespräch, die von ihren Erfahrungen berichteten.

Hauptprobleme sind nach wie vor:

  • Lohnbetrug und überhöhte Lohnabzüge,
  • fehlende Sozial- und Krankenversicherung aufgrund von kurzfristiger Beschäftigung,   
  • intransparente Arbeitszeitaufzeichnungen und  fehlende Arbeitsverträge,
  • mangelhafte Unterkünfte,
  • Verstöße gegen den Arbeits- und Gesundheitsschutz (gerade in Zeiten der Corona-Pandemie),
  • hohe Kosten durch private Vermittlungsagenturen. 

"Leider beobachten wir immer wieder, dass Saisonkräfte nicht ihren vollen Lohn erhalten. Es ist kaum zu fassen, wie einfallsreich manche Arbeitgeber sind, wenn es um die Lohnprellerei geht. Sie haben es dabei umso leichter, je weniger die Beschäftigten ihre Ansprüche kennen", so Harald Schaum, Stellvertretender IG BAU-Bundesvorsitzender.

Handfeste Hilfe benötigt

Faire Arbeitsbedingungen sehen anders aus. Und das, obwohl die deutsche Landwirtschaft ohne Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer*innen "nicht arbeitsfähig" ist. So zumindest die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/ CSU-Fraktion aus dem März dieses Jahres. Doch diese Feststellung hilft den Betroffenen nicht weiter. Sie benötigen handfeste Hilfe und Unterstützung. Deswegen hat die IG BAU für Saisonarbeitskräfte ein spezielles Mitgliedschaftsmodell entwickelt, das genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist – "eine Art 'Jahresticket'", beschreibt Schaum. "Das bündelt Leistungen, die für diese Kolleginnen und Kollegen extrem wichtig sind, vor allem Rechtsschutz und Beratung. Denn: Wer arbeitet, hat Rechte. Man muss sie aber erst einmal kennen, um sie geltend machen zu können." (Weitere Infos in mehreren Sprachen unter www. faire-mobilitaet.de/landwirtschaft).

Wichtig wären allerdings auch regelmäßige Kontrollen seitens der staatlichen Behörden und fairere Arbeitsbedingungen für alle in der Landwirtschaft – egal, ob saisonale und festangestellte Beschäftigte. Das sind wir den Menschen schuldig, die unsere Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen. 

Text: Christiane Nölle (Ursprünglich erschien der Beitrag in der April-Ausgabe des "Grundstein")