Waldsterben
(Foto: Johannes Schenk / Unsplash)
17.03.2022
Forst- und Agrarwirtschaft

Sturm, Trockenheit, Insektenbefall – all dies stresst immer mehr Bäume und schwächt das Ökosystem Wald. Die Folge: Im Jahr 2020 erreichte die eingeschlagene Schadholzmenge einen neuen Rekordwert. Sie lag fünf Mal höher als 2015. Diese Veränderung spüren auch die Forstbeschäftigten. Das Personal in den Wäldern steht zunehmend unter Druck.

Deutschland zählt mit 11,4 Millionen Hektar zu den waldreichsten Ländern Europas. Gemessen an der Landesfläche von etwa 35,7 Millionen Hektar, ist hierzulande also ein knappes Drittel (32 Prozent) mit Wald bedeckt. Auf dieser Fläche stehen Pi mal Daumen 90 Milliarden Bäume. Das macht mehr als 1000 Bäume pro Einwohner*in. Den Zahlen nach, die der Verein Nachwachsende Rohstoffe e. V. 2019 veröffentlichte, arbeiten knapp 1,1 Millionen Beschäftigte im Cluster Forst und Holz, welches im benannten Jahr 182 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete. Damit kommt dem Wald auf der einen Seite eine wichtige ökonomische Bedeutung zu, vor allem als Rohstofflieferant. Daneben hat der Wald aber auch einen zusätzlichen, sehr großen Stellenwert für das Klima, den Wasserhaushalt, die Reinhaltung der Luft, die Bodenfruchtbarkeit und nicht zuletzt dient er als Naherholungsgebiet.

Veränderungen im Nutz- und Ökosystem Wald

Dass sich im Nutz- und Ökosystem Wald in den letzten Jahren vieles verändert hat, nicht zuletzt weil sich auch hierzulande die klimatischen Bedingungen wandeln, zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes mit Blick auf den durch Schäden bedingten Holzeinschlag. 2020 belief sich die eingeschlagene Schadholzmenge auf 60,1 Millionen Kubikmeter - ein Rekordwert. Zum Vergleich: 2015 lag die Menge bei 12,9 Millionen Kubikmetern, der Wert hat sich also verfünffacht.

Hitze und Trockenheit der vergangenen Sommer machen also den Bäumen immer mehr zu schaffen. Die Wälder, allen voran sogenannte Monokulturen – das sind Wälder in denen überwiegend eine Baumart vorkommt, häufig Fichten, Tannen und Kiefern – sind dann besonders anfällig für Schädlinge wie dem Borkenkäfer, der sich ob der beeinträchtigten Widerstandskraft der Bäume besonders schnell ausbreiten kann. Die Folge: Das Holz, das allein aufgrund von Insektenbefall eingeschlagen wurde, hat sich binnen sechs Jahren verdreizehnfacht. Ausgehend vom Jahr 2015 mit 3,3 Millionen Kubikmeter hin zum Jahr 2020 mit 43,3 Millionen Kubikmeter. Der Insektenbefall ist inzwischen die Hauptursache für den Einschlag von Schadholz in hiesigen Wäldern. Bezeichnend ist dabei auch, dass 99 Prozent des durch Insektenbefall verursachten Schadholzeinschlags auf Nadelbäume wie Fichten, Tannen oder Kiefern entfiel.

Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) veröffentlichte kürzlich besorgniserregende Zahlen auf Basis von Satellitendaten: Von Januar 2018 bis April 2021 wurden demnach auf einer Fläche von rund 501 000 Hektar Baumbestände zerstört. Das entspricht rund fünf Prozent der gesamten Waldfläche in Deutschland. Die Analyse der Satellitenbilder, für die die DLR-Forschergruppe das Earth Observation Center (EOC) in Oberpfaffenhofen nutzte, macht deutlich, dass auch Eichen, Buchen und Kiefern starke Schäden aufweisen. Gleiches gilt für seltenere Arten wie Bergahorn oder Lärche, so die Forschergruppe.

Entwicklungen, die hohe Belastungen nach sich ziehen

Eine von der IG BAU durchgeführte Umfrage zur Thematik Wald-Klima-Schutz, an der 1300 Forstbeschäftigte teilnahmen, hat untersucht, welchen Einfluss der Klimawandel auf die Arbeitsbelastung hat. In den 2020 veröffentlichten Ergebnissen sind deutliche Zusammenhänge erkennbar: Überall dort, wo die Klimaschäden besonders gravierend sind, ist die Arbeitsbelastung für das Forstpersonals besonders hoch. Ebenfalls nachweisen konnte die Gewerkschaft einen statistisch aussagekräftigen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an regionalen Waldschäden und einem erhöhten Burnout-Risiko für die Beschäftigten.

57 Prozent der Befragten sagen, dass die Fülle der Aufgaben in der vereinbarten Arbeitszeit nicht zu schaffen sei und 87 Prozent sind der Ansicht, dass nicht genügend Kolleg:innen vorhanden sind, um den Arbeitsanfall zu bewältigen.

Laut IG BAU haben die Anforderungen in vielen forstlichen Tätigkeitsfeldern seit 2017 stark zugenommen. Besonders sei dies bei Tätigkeiten zu verzeichnen, die in direktem Zusammenhang mit den Waldschäden stehen, wie Neubestände begründen, Schadholzentfernung und Verkehrssicherung. Aber auch bei der Forstaufsicht, der Beratung und Öffentlichkeitsarbeit sei eine deutliche Zunahme zu vermerken. Gleichzeitig haben sich die inhaltlichen Arbeitsanforderungen für das Personal an vielen Stellen intensiviert, sowohl mit Blick auf waldbauliches und betriebswirtschaftliches Wissen als auch beim Umgang mit Maschinen und digitalen Arbeitsmitteln.

Jahrelanger Abbau von Personal

Revierförster Peter Martensen bestätigt, dass sich die Arbeit im Wald verändert hat. Er ist bei den Niedersächsischen Landesforsten im Forstamt Dassel, Försterei Delliehausen, tätig. "Die Folgen der klimatischen Veränderungen haben zu einem dramatischen Anstieg des Arbeitsvolumens geführt" sagt er und nennt einige Zahlen: "2013 wurden in Niedersachsen rund 3,8 Millionen, im Jahr 2021 fast 6 Millionen Bäume gepflanzt". Auch wenn diese Aufgabe heute oft an private Unternehmen ausgelagert sei, müssten die Maßnahmen alle geplant, vorbereitet und kontrolliert werden, so der Revierförster. Martensen, der auch Vorsitzender der Gruppe Beamte und Angestellte im Forst- und Naturschutz bei der IG BAU-Landesvertretung Niedersachsen ist, macht aber nicht nur den Klimawandel für die gestiegene Arbeitsbelastung verantwortlich. Auch der Personalabbau, der seit den Neunzigerjahren Einzug hielt, sei dafür mitverantwortlich. "1990 waren rund 2600 Vollzeiteinheiten im Landesbereich der Forstwirtschaft vorhanden, 2005 wurden noch 1.500 in die Anstalt übernommen". Außerdem sind laut Martensen die Anforderung der Gesellschaft an den Wald deutlich gestiegen. Zusätzlich gäbe es neue Vorschriften und Schutzauflagen mit damit einhergehende Berichtspflichten. Und die eingeschlagene Menge an Holz bei den Niedersächsischen Landesforsten sei gestiegen - von 1,7 Millionen im Jahr 2017 hin zu fast 3 Millionen Festmeter im Jahr 2021. All dies erhöhe das Arbeitsvolumen des Forstpersonals, so Martensen weiter.

Mehr Forstpersonal notwendig

In den Wäldern ist der Klimawandel also seit Jahren angekommen. Dass spüren auch die Beschäftigten, die die zusätzliche Arbeit auf die seit Jahren gleichbleibende Anzahl an Schultern verteilen müssen. Kein Wunder also, dass bei der von der IG BAU durchgeführten Umfrage 2020 neun von zehn Befragten über fehlendes Personal klagten. Der Stress hat für das Forstpersonal ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Die Gewerkschaft fordert deshalb einen sofortigen Stopp der Sparmaßnahmen in den öffentlichen Forstverwaltungen und Forstbetrieben. Der Auf- statt Abbau von qualifiziertem Forstpersonal in Forstbetrieben und Forstverwaltungen sei dringend geboten. Bundesweit, so schätzt die Gewerkschaft, seien mindestens 11 000 weitere Forstbeschäftigte nötig, um der Not im Wald Herr zu werden. Es brauche eine politische Kehrtwende.