Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 geht es aus Sicht der IG BAU ganz zentral darum, den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken.
Wohnen
Bezahlbare Wohnungen für alle sind zur neuen sozialen Frage geworden. Die Politik versagt. Die IG BAU fordert einen grundlegenden Kurswechsel und zeigt konkrete Maßnahmen gegen die Wohnungskrise.
Die aktuelle Situation
In Deutschland fehlen derzeit schätzungsweise 800 000 Wohnungen. Unter anderem die in den vergangenen Jahren zugewanderten Menschen brauchen Wohnraum, vor allem Mietwohnungen. Im überwiegenden Teil Deutschlands sind die Wohnungsmärkte jedoch mindestens angespannt, in den meisten Oberzentren und Metropolregionen bereits deutlich überlastet.
Seit dem Jahr 2020 hat die Anzahl der Menschen in Deutschland, die in überbelegten Wohnungen leben, um 800 000 auf über 9,3 Millionen zugenommen (11 Prozent der Bevölkerung). Von den armutsgefährdeten Personen wohnte mehr als jede*r Fünfte auf zu engem Raum. Auch die Kosten für das Wohnen und Heizen sind in den vergangenen Jahren teils drastisch gestiegen. Einer Studie des Mieterbunds zufolge sind mehr als 7 Millionen Haushalte mit ihren Wohnkosten akut überlastet.
Es fehlen vor allem bezahlbare Wohnungen, d.h. mit Mieten im Preisbereich zwischen 6 und 10 Euro netto-kalt je Quadratmeter-Wohnfläche. Während der Neubau von Eigentumswohnungen im hochpreisigen Segment einen fast zehnjährigen Boom erlebt hat, wurde im selben Zeitraum viel zu wenig zusätzlicher bezahlbarer Wohnraum für Arbeitnehmer*innen und Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen geschaffen. Zudem fehlen angesichts der demographischen Entwicklung bundesweit mehr als 2 Millionen altersgerechte und barrierefreie Wohnungen.
Zugleich haben sich die Bedingungen für den Wohnungsbau seit Beginn des Russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der darauffolgenden Zinswende drastisch verschlechtert. Während die Fertigstellungszahlen bislang noch eine Seitwärtsbewegung vollziehen, sind die Neubaugenehmigungen, vor allem im Ein- und Zweifamilienhausbereich massiv eingebrochen. In 2022 wurden noch 295 000 Wohnungen fertiggestellt. Für 2023 und 2024 ist ein erheblicher Rückgang des Wohnungsneubaus zu erwarten. Das erklärte Ziel der Bundesregierung – 400 000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr – scheint damit aktuell nicht erreichbar. Dies wäre nicht nur für den Ausbau von Beschäftigung und Kapazitäten im Hochbau ein schlechtes Zeichen. Es würde auch die soziale Wohnungsfrage erneut verschärfen und zudem auch die wirtschaftliche Entwicklung und das Funktionieren von Arbeitsmärkten beeinträchtigen.
Auch die energetische Sanierung des Wohnungsbestandes kommt noch immer zu langsam voran, der Gebäudesektor verfehlt regelmäßig die gesetzlich festgelegten Klimaschutzziele. Nach Berechnungen des DIW lagen die preisbereinigten Investitionen in die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden zuletzt 13 Prozent unter dem Niveau von 2011. Derzeit werden pro Jahr weniger als ein Prozent des Wohnungsbestands energetisch saniert. Für die Erreichung von Klimaneutralität bis 2045 müsste die aktuelle Sanierungsrate mindestens verdoppelt werden. Dies gelingt nur, wenn im Bau- und Ausbaugewerbe die Arbeitsbedingungen attraktiver gestaltet und die Tarifbindung wieder gestärkt wird.
Die IG BAU fordert ein deutliches Umsteuern in der Wohnungspolitik: Wir brauchen Wohnungen, die für die breite Mehrheit der Arbeitnehmer*innen dauerhaft bezahlbar, klimagerecht und zudem familien- und altersgerecht sind. Dazu müssen die Förderpolitik, das Steuerrecht und auch der Umgang mit Boden auf neue Füße gestellt werden. Darüber hinaus braucht es ein sozialeres Mietrecht, damit die Wohnung für Mieter*innen ein sicheres Zuhause bleibt.
Unsere Positionen im Überblick:
Sozialer Wohnungsbau
Ende 2022 gab es bundesweit nur noch rund 1,09 Millionen Sozialwohnungen. Während in diesem Jahr gut 22 000 Sozialwohnungen neu geschaffen wurden, fielen im gleichen Zeitraum rund 36 500 bestehende Wohnungen aus der Sozialbindung heraus. Auch in 2023 sind nicht mehr als 30 000 neue Sozialwohnungen fertiggestellt worden. Damit setzt sich der Rückgang der Sozialwohnungen fort. Zugleich steigt die Zahl der Mieter*innenhaushalte (siehe Grafik).
In den Jahren 2021 bis 2026 stellt der Bund den Ländern für den sozialen Wohnungsbau insgesamt 18,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Obwohl dies grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung ist, werden die Fördermittel angesichts der drastisch gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten nicht annähernd ausreichen, um eine Trendwende beim Sozialwohnungsbestand zu erreichen.
Um die dringendsten Engpässe bei der Wohnraumversorgung zu lindern, braucht es einen Bestand von mindestens 2 Millionen Sozialwohnungen bis zum Jahr 2030. Ausgehend von derzeit weniger als 1,1 Millionen vorhandenen preisgebundenen Wohnungen müssen jährlich mindestens 100 0000 neue soziale geförderte Wohnungen entstehen und zusätzlich müssen 75 000 Bestandswohnungen durch kommunalen Ankauf oder Modernisierungsförderung in Sozialwohnungen umgewandelt werden. Dazu ist die Schaffung eines zweckgebundenen Sonderfonds „Sozialer Wohnungsbau“ durch Bund und Länder in Höhe von mindestens 50 Milliarden Euro notwendig, um die angestrebte Zahl von Wohnungen über einen längeren Zeitraum zu fördern.
Darüber hinaus muss das Bauen von Sozialwohnungen günstiger werden: Die IG BAU schlägt eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent für den sozialen Wohnungsbau vor. Die Steuerermäßigung soll an längere Sozialbindungen der geförderten Wohnungen gekoppelt werden. Mittelfristig braucht es im sozialen Wohnungsbau wieder dauerhafte Mietpreis- und Belegungsbindungen.
Bezahlbarer Wohnungsbau
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum betrifft inzwischen große Teile unserer Gesellschaft. Vermehrt haben auch Haushalte und Familien mit mittleren Einkommen Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist nicht nur ein soziales Problem, sondern gefährdet indirekt auch Arbeitsplätze und schadet dem Klima, wenn Beschäftigte deshalb immer längere Strecken zu ihrem Arbeitsplatz pendeln müssen.
Um den Wohnungsbau für mittlere Einkommen voranzubringen, fordern wir zusätzliche Mittel für den Bau von jährlich 60 000 Wohnungen im bezahlbaren Segment - für Haushalte, deren Einkommen oberhalb der Grenzen für einen Wohnberechtigungsschein, aber unterhalb des jeweils landesweiten Durchschnitts liegt.
Dafür ist über einen Zeitraum von vier Jahren eine zusätzliche Förderung in Höhe von mindestens 22 Milliarden Euro notwendig. Als ersten Schritt fordert die IG BAU die Einführung eines Zinsverbilligungsprogramms für den Bau bezahlbarer Mietwohnungen. Dabei sollte die Schaffung von Wohnraum zu geltenden gesetzlichen Mindeststandards, den Regelstandards, gefördert und auf zusätzliche technische Anforderungen verzichtet werden. Die Förderung muss an langfristige Mietpreisbindungen gekoppelt werden. Mittelfristig sollte ein solches Förderprogramm im Rahmen einer neuen Wohngemeinnützigkeit mit dauerhaften Mietpreisbindungen erfolgen (siehe unten).
Wohnungsgemeinnützigkeit
Die IG BAU fordert, den gemeinnützigen Wohnungsbau wieder zu fördern. Kommunale, genossenschaftliche oder private Wohnungsunternehmen, die sich auf eine beschränkte Gewinnausschüttung, dauerhafte Sozial- und Mietpreisbindungen und eine Zweckbindung ihrer Einnahmen verpflichten, sollen steuerlich begünstigt werden. Die Bundesregierung muss ihren eigenen Koalitionsvertrag von 2021 ernst nehmen und zeitnah einen Gesetzesentwurf sowie ein geeignetes Förderprogramm vorlegen.
Wohnungsbau darf nicht allein den Profitinteressen privater Investor*innen überlassen bleiben. Im Gegensatz zu anderen gesellschaftlichen Bereichen gibt es in der Wohnungsversorgung seit 1989 keine steuerliche Begünstigung für gemeinnützige Unternehmen mehr. Das hat unter anderem die Privatisierung zahlreicher Wohnungsbestände und das Auslaufen zehntausender Sozialbindungen begünstigt. Alternativ oder ergänzend zur Wohnungsgemeinnützigkeit kann der Bund mit einem Beteiligungsfonds die Eigenkapitalbasis kommunaler und landeseigener Wohnungsunternehmen stärken. Eine höhere Eigenkapitalquote verbessert die Finanzierungsbedingungen an den Finanzmärkten und wird den Bau von mietpreisgebundenen und preisgünstigen öffentlichen Wohnungen ankurbeln.
Die IG BAU fordert: Gemeinwohl muss auch beim Wohnen wieder Vorfahrt vor Profitinteressen bekommen! Denn Wohnungsbau ist kein Saisongeschäft, sondern eine gesellschaftliche Daueraufgabe.
Bodenpolitik und Baulandvergabe
Eine sozial gerechte Bodennutzung ist die unverzichtbare Grundlage für bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnungsbau und die Bereitstellung sozialer Infrastruktur. In den letzten Jahren gefährdet jedoch der rasante Anstieg der Bodenpreise vielerorts den sozialen Zusammenhalt. Grundstückseigentümer und Baulandspekulanten erzielen in Ballungsgebieten durch das Horten von Grundstücken gewaltige Gewinne und blockieren damit gleichzeitig den Bau von preiswertem Wohnraum.
Die IG BAU fordert, dass öffentliche Baugrundstücke vorrangig im Erbbaurecht und durch Konzeptverfahren mit klaren sozialen und ökologischen Kriterien vergeben werden. Zur Unterstützung des geförderten und bezahlbaren Wohnungsbaus ist außerdem eine aktive Bodenbevorratung durch die Kommunen sinnvoll. Dies könnte z.B. durch Einrichtung von sogenannten Bodenfonds erfolgen, die durch strategischen Ankauf von Grundstücken eine langfristige Baulandreserve anlegen.
Zudem müssen die Handlungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden in der Bauleitplanung gestärkt werden. Dazu gehört eine umgehende Wiederherstellung und Erweiterung des kommunalen Vorkaufsrechts. Die IG BAU befürwortet zudem die Einführung eines sogenannten Widmungsrechts für geförderten Wohnungsbau – auf entsprechend ausgewiesenen Flächen müssen dann überwiegend Sozialwohnungen errichtet werden. Auch die flächendeckende Anwendbarkeit von Baugeboten (Innenentwicklungsmaßnahme) muss erleichtert werden, um Baulücken rasch schließen zu können und Bodenspekulation einzudämmen.
Wohneigentumsförderung
Die Förderung des Erwerbs von Wohneigentum für weniger einkommensstarke Haushalte wird von der IG BAU befürwortet. Die Bundesregierung hat die Eigentumsförderung im Rahmen des Förderprogramms "Klimafreundlicher Neubau" wiederaufgenommen. Die Fördersätze sind im Verhältnis zu den geforderten Einkommensgrenzen jedoch zu gering, um Schwellenhaushalte wirkungsvoll und gezielt zu unterstützen. Zudem ist das Programmvolumen mit einem Anteil von 350 Millionen Euro für Familien viel zu gering. Für einen spürbaren Effekt müsste das Fördervolumen deutlich angehoben werden.
Die IG BAU fordert, dass die Förderung von Wohneigentum auskömmlich gestaltet und an sinnvolle soziale und ökologische Kriterien wie z.B. Haushaltseinkommen und Wohnfläche gekoppelt wird. Bei der Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum sollte verstärkt auch der Erwerb und die anschließende Sanierung von Bestandsgebäuden gefördert werden, um einen geringeren
Die IG BAU fordert, dass die Förderung von Wohneigentum auskömmlich gestaltet und an sinnvolle soziale und ökologische Kriterien wie z.B. Haushaltseinkommen und Wohnfläche gekoppelt wird. Bei der Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum sollte verstärkt auch der Erwerb und die anschließende Sanierung von Bestandsgebäuden gefördert werden, um einen geringeren Flächenverbrauch und eine nachhaltigere Nutzung vorhandener Bausubstanz zu ermöglichen.
Klimagerecht Bauen und Sanieren
Die IG BAU unterstützt das Ziel, einen klimaneutralen Gebäudesektor bis spätestens 2045 zu erreichen. Bei der Weiterentwicklung von Ordnungsrecht und Förderprogrammen ist die wirtschaftlich optimale und für die Bewohner*innen günstigste Kombination aus Energieeffizienz der Gebäudehülle und einer Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien anzustreben. Aktuell stehen jedoch viel zu wenig Fördermittel für Neubau und Bestandssanierung zur Verfügung. Zudem fehlt es an Planungssicherheit, die den Unternehmen den Aufbau dringend notwendiger Personalressourcen zu ordentlichen Arbeitsbedingungen ermöglicht.
Die IG BAU fordert eine verstetigte Bereitstellung von 30 Milliarden Euro Förderung pro Jahr, davon mindestens 10 Milliarden Euro zweckgebunden für die sozialverträgliche Sanierung von Mehrfamilienhäusern mit der schlechtesten Energiebilanz. Denn dort wohnen in der Regel die Menschen mit den geringsten Einkommen. Energetische Sanierungen dürfen nicht zur Überlastung von Mieter*innen bzw. selbstnutzenden Eigentümer*innen führen. Bezahlbare Wohnkosten müssen durch auskömmliche und zielgenaue öffentliche Förderprogramme mit Sozialbindungen und auch über soziale Mietrechtsreformen sichergestellt werden.
Wohnen im Alter
Infolge des demographischen Wandels nimmt die Zahl älterer Menschen in unserer Gesellschaft zu. Schon heute ergeben sich daraus neue Anforderungen an das Wohnen. Einer Untersuchung des Pestel-Instituts zufolge werden in zwanzig Jahren voraussichtlich 21 Millionen Menschen zur Altersgruppe "67plus" gehören. Auf diese Veränderung ist der Wohnungsmarkt jedoch nicht vorbereitet: Über eine weitgehend barrierefreie Wohnung, das heißt schwellenlos und mit breiten Fluren, Türen und Räumen, verfügen derzeit nur rund eine Million beziehungsweise acht Prozent der Seniorenhaushalte. Es fehlen aktuell rund 2,1 Millionen weitgehend barrierefreie Wohnungen.
Um die Versorgungslücke an altersgerechtem Wohnraum bis 2040 zu schließen, müssten jährlich rund 170 000 altersgerechte Wohnungen durch Neubau und Sanierung geschaffen werden. Die Mittel aus dem KfW-Förderprogramm „Altersgerecht Umbauen“ in Höhe von aktuell 150 Millionen Euro entsprechen bei weitem nicht dem tatsächlichen Bedarf. Die IG BAU schlägt vor, in einem ersten Schritt die Programmmittel für altersgerechte Sanierung und Umbau auf mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr aufzustocken und in den Folgejahren bedarfsgerecht zu erhöhen.
Soziales Mietrecht
Neben der notwendigen Schaffung zusätzlicher Wohnungen müssen auch die Mieter*innen bestehender Wohnungen besser vor starken Preissteigerungen geschützt werden – nur dann wirkt der Neubau in Gebieten mit Wohnraummangel entlastend. Die IG BAU unterstützt die Forderungen des DGB zur sozialen Reformierung des Mietrechts.
Dazu zählen:
- eine Verschärfung der Mietpreisbremse
- Absenkung der Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen im Bestand auf zehn Prozent in drei Jahren, in angespannten Wohnungsmärkten auf sechs Prozent
- Stärkung von Mietspiegeln und eine Ausweitung des Betrachtungszeitraums der örtlichen Vergleichsmiete auf zehn Jahre
- Absenkung der Modernisierungsumlage auf vier Prozent jährlich sowie Einführung einer Kappungsgrenze von 1,50 Euro/Quadratmeter
- Einschränkung von Möglichkeiten zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sowie Eigenbedarfskündigungen
- Ein zeitlich befristeter Mietenstopp in stark angespannten Wohnungsmärkten: Dieser gilt auch bei Wiedervermietungen. Mieten, die noch unterhalb des Mietspiegels beziehungsweise Mietobergrenzen liegen, können bis zum Erreichen der Obergrenze jährlich um zwei Prozent angehoben werden. Mit diesen Maßnahmen soll eine Härtefallregelung einhergehen, die Vermieter/-innen auf Antrag eine Mieterhöhung bis zu der Höhe erlaubt, die zur Kostendeckung nötig ist. Neubauwohnungen bleiben von einem Mietenstopp ausgenommen.
Mehr Infos und Materialien
Die Wohnsituation in deutschen Großstädten – 77 Stadtprofile
Studie von Andrej Holm und Stephan Junker im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, März 2019
Bezahlbare Mieten für alle – Interview mit dem IG-BAU-Vorsitzenden Robert Feiger
Mitbestimmung, Zeitschrift der Hans-Böckler-Stiftung, Dezember 2018
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